Der Lambertimord
»Zufrieden?«
»Natürlich.« Ecki sah Frank von der Seite an. »Was nun? Breyell oder Präsidium? Oder Feierabend?«
»Wie bist du denn drauf? Wir haben noch lange nicht Feierabend. Wir wollten uns doch noch Markus Jansen vornehmen. Wir müssen mit ihm weiterkommen. Viel länger werden wir ihn nicht festhalten können. Sein Anwalt nimmt uns in der Luft auseinander, wenn wir ihn ohne begründeten Verdacht noch einen Tag länger festhalten. Nee, wir fahren ins Präsidium.«
Kaum in Mönchengladbach angekommen, bestätigte sich Franks Vermutung. Auf dem Weg zum Vernehmungszimmer kam ihnen die Sekretärin des Polizeipräsidenten entgegen und machte nicht gerade ein nettes Gesicht. Susanne Gruyters war sowieso meist schlecht gelaunt. Niemand in der Behörde wußte so recht, warum. Andererseits, nachdem Susanne Gruyters nun schon mehr als 20 Jahre in Amt und Würden war, wunderte sich keiner mehr über ihr miesepetriges Gesicht. War sie sauer oder wütend, war ihr Gesicht noch finsterer als sonst. Erst dann war Vorsicht geboten, oder man lief Gefahr, unter ihre bürokratisch korrekten Räder zu kommen. Was meist mit verächtlichen Blicken und Türenschlagen ihrerseits endete. Und einer Laune, die noch Tage später die Stimmung in der Dienststelle drohend überschattete.
Dabei war Susanne Gruyters nicht unansehnlich. Für ihre 43 Jahre hatte sie sich eine sportliche Figur erhalten, die dazu auch noch ansehnlich proportioniert war, wie Kollegen hin und wieder in der Kantine beim Essen bemerkten. Das tat ihnen dann doppelt weh: eine Bürofurie ihres Kalibers steckte zu allem Übel noch in einer hübschen Verpackung, die normalerweise die Männerherzen reihenweise hätte schwach werden lassen müssen. Aber spätestens nach dem ersten Rüffel traute sich kein Mann mehr näher an Susanne Gruyters heran als bis zur Schwelle ihres Büros. Bislang waren alle gegenteiligen Versuche spätestens an der Schreibtischkante mehr als kläglich gescheitert. Frank kannte mehrere dieser Geschichten.
Susanne Gruyters trug diesmal einen Aktenstapel, den sie eng an ihre Brust gedrückt hatte und stellte sich auf dem halbdunklen Flur Frank und Ecki in den Weg. Oh, oh, dachte Frank, das kann ja heiter werden. Er versuchte ein fröhliches Gesicht zu machen und fühlte sich doch wie ein kleiner Junge, der beim Lügen ertappt worden war. Auch Ecki war unwohl, er versuchte einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. Er scheiterte aber kläglich, dachte Frank nach einem Seitenblick voller Genugtuung.
»Rechtsanwalt Wagmann hat schon mehrfach nach Ihnen gefragt.«
»Aha.« Frank ließ sie kommen.
»Es geht um Markus Jansen. Rechtsanwalt Wagmann war eben beim Chef. Er will seinen Mandanten abholen. Es liege nichts Schwerwiegendes gegen ihn vor, meint er. Auf jeden Fall will er Sie sprechen. Sofort.«
Sofort, soso. Das Wort hatte Wagmann sicherlich nicht gebraucht. Frank vermutete eher, daß Susanne Gruyters ihr sofort hinzugefügt hatte, um Frank klarzumachen, daß er mal wieder die Dienstvorschriften recht großzügig ausgelegt hatte.
»Natürlich, sofort.« Frank wollte an Susanne Gruyters vorbei. Sie hatte aber seinen Ausbruchsversuch mit einem schnellen ansatzlosen Ausfallschritt im Keim erstickt. Dabei hatte sie den Aktenstapel noch enger an ihre Brust gedrückt. Beim Fußball wäre das Sperren ohne Ball gewesen, dachte Frank mit einem Anflug von Ärger. Statt dessen fragte er zuckersüß: »Kann ich noch etwas für Sie tun, liebe Frau Gruyters?«
»Hören Sie auf mit dem Gesülze. Tun Sie lieber was für sich. Ihre Frau hat auch noch bei mir angerufen. Sie erwartet Ihren Rückruf. Ich habe Ihnen die Nummer, unter der sie zu erreichen ist, auf den Schreibtisch gelegt. Sie schien nicht sonderlich glücklich am Telefon. Als Frau spürt man das.« Sie streckte sich.
Ohoh, geballte Frauenpower. Frank hob die Hände. »Okay, okay, erst kümmere ich mich um Wagmann, dann rufe ich meine Frau an. Meine Ex-Frau, um genau zu sein.«
Susanne Gruyters sah ihn skeptisch an. Unerbittlich scannte sie mit ihrem Blick die unglückliche Figur vor sich.
»Bestimmt, Frau Gruyters.« Frank kam sich langsam dämlich vor. Was bildete sich die Gruyters ein? Er war doch kein dummer Junge, den man so einfach vor anderen maßregeln konnte. Nur gut, daß Ecki dabei war. »Würden Sie uns bitte vorbeilassen? Wir haben es eilig.« Um noch einen draufzusetzen, fügte Frank einigermaßen fröhlich hinzu: »Sie wollen doch schließlich auch nicht, daß der arme
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