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Der Lambertimord

Der Lambertimord

Titel: Der Lambertimord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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doch tatsächlich durchsetzen können, daß jede Abteilung einen eigenen Aktenvernichter bekam. Stolz war er noch Tage später damit beschäftigt, jedem seinen Erfolg bei jeder sich bietenden Gelegenheit bis ins kleinste Detail zu erklären. Auch wenn Frank seinen Freund niemals als »Bürokratenarsch« bezeichnen würde, so war Ecki doch der geborene Beamte. Nervös wurde Ecki nur, wenn ihm bei den Sitzungen sein Vorrat an Hefeteilchen auszugehen drohte, die er während der Besprechungen zum Ärger des Polizeipräsidenten und unter den neidischen Blicken seiner Kollegen ungerührt nacheinander und mit sichtlichem Genuß verdrückte.

    Mit dem Streß auf der Dienststelle und dem Ärger in der Band kam Frank ja noch halbwegs klar. Schlimmer war für ihn das merkwürdige und ihm völlig unerklärliche Verhalten von Lisa. Schon seit ein paar Tagen hatte er nichts mehr von ihr gehört. Vor einigen Wochen hatte seine Freundin ihm nach einem, aus seiner Sicht netten und harmonischen Wochenende, deutlich zu verstehen gegeben, daß sie im Moment »keine Lust auf ihn habe« und »Zeit zum Nachdenken« brauche. Für Frank kam diese Ankündigung beim Abendessen bei ihrem Lieblingstürken in Eicken wie aus heiterem Himmel. Er fühlte sich völlig überrumpelt. Zuerst hatte er gar nicht verstanden, was seine Freundin mit »Lust« meinte und sie mit Fragen bedrängt. Als sie nur mit Ausflüchten antwortete, war er wütend auf Lisa gewesen. Er war darüber erschrocken, denn das war ein Gefühl, das er bis dahin in ihrer Beziehung nicht kannte. Sein Nachfragen, sein Bitten, seine bissigen Bemerkungen, nichts hatte gefruchtet. Lisa war ihm nur ausgewichen. Schließlich war er gekränkt nach Hause gefahren. So klar hatte ihm vorher noch keine Frau eine Abfuhr erteilt. Jetzt war er nur noch traurig. Frank konnte sich immer noch nicht erklären, warum sich Lisa so von ihm zurückgezogen hatte. Stundenlang hatte er in seinem Wohnzimmer gehockt, sich den Kopf zerbrochen, war aber keinen Schritt weitergekommen.
    Frank trank im Moment mehr als er vertragen konnte, immerhin konnte er damit seine Gefühle wenigstens eine Zeitlang betäuben. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. Sein Akku brauchte neuen Stoff. Aber Frank wußte im Moment nicht, wie es weitergehen sollte. Im Grunde kam ihm diese tote junge Frau im Blechsarg gerade recht. Arbeiten und nicht an sein Leben denken müssen, Streß gegen Streß zu Hause. Ablenkung wenigstens für ein paar Tage.
    Frank sah aus dem Autofenster. Hinter den Feldern und der Eisenbahnstrecke Köln-Venlo führte parallel zur B 7 ein Feldweg nach Breyell. Wie oft mochte er wohl die Strecke früher mit dem Fahrrad gefahren sein, nach der Schule von Kaldenkirchen zurück nach Breyell? Er konnte sich noch gut erinnern. Rund fünf Kilometer, unter der Brücke der A 61 hindurch, in deren Schatten er heimlich seine erste Zigarette geraucht hatte, weiter über den Feldweg, immer die drei Kirchtürme vor sich, die er schon von weitem sehen konnte. Besonders im Sommer war er gerne den Weg gefahren. Durch die stille warme Landschaft der Getreidefelder begleitete ihn das Zwitschern der Feldlerchen. Manchmal hatte er Angst davor gehabt, heimzukommen, wenn wieder mal die Matheklausur fünf war, oder er die Englischarbeit vermasselt hatte. Lange war das her. Erinnerungen an ein anderes Leben.

    Vor dem Lambertiturm hatten die Kollegen die Umrisse von Heike van den Hövels Leiche mit Kreide nachgezeichnet. Aus der Distanz betrachtet, mochte Ecki recht haben, dachte Frank. Es sah wirklich so aus, als habe jemand dem Turm ein bizarres Opfer bringen wollen. Es fehlten nur noch die roten Grablichter, Kränze und Blumen. Die Breyeller waren groß im Trauern. Frank konnte sich die zynischen Gedanken an seine eigene Kindheit nicht verkneifen.
    Der Platz vor dem Turm war immer noch abgesperrt. Schaulustige waren nicht mehr zu sehen. Um den Marktplatz herum herrschte dagegen mittlerweile die Betriebsamkeit eines ganz normalen Freitagvormittags. Das Wochenende stand vor der Tür, und die Hausfrauen waren entweder zu Fuß, mit dem Rad oder dem Familienkombi zum Einkaufen unterwegs. Niemand schien Notiz zu nehmen von dem Flatterband oder dem Leichenwagen, der auf dem Parkplatz neben dem Café stand. Man hätte denken können, daß eine große unsichtbare Glocke den Platz gegen das Dorfleben abschirmte, so sehr mieden die Breyeller den Fundort der Leiche.
    Im Baucontainer am gegenüberliegenden Ende des Marktplatzes brannte Licht. Die

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