Der Lambertimord
Lokal gerne von Jagdgesellschaften aufgesucht wurde.
Durch die Flügeltür konnte Böskes erkennen, daß im Speisesaal auch diesmal für eine Abendveranstaltung eingedeckt war. Im Gastraum selbst hing der unaufdringliche, aber deutlich wahrnehmbare Hauch vom Bratfett zahlloser Essen, gemischt mit dem Geruch nasser Bierdeckel und kaltem Zigarren- und Zigarettenqualm. Trotz der kalten Jahreszeit schien der Gastraum nicht sonderlich geheizt zu sein. Dieter Böskes fror ein bißchen.
Er bestellte ein Bier und sah seinen Freund an. Vander war kleiner als Böskes und wie immer ganz in Schwarz gekleidet. Das sollte ihn wohl intellektuell und weltgewandt aussehen lassen, vor allem aber jünger. Tatsächlich waren seine Haare noch voll und dunkel. Seine schmale goldene Brille hatte er an einer dünnen Kette vor der Brust baumeln. Das paßte so gar nicht zu dem Image, das Vander mit seiner Kleidung zu erzeugen versuchte, dachte Böskes zum wiederholten Mal. Sein Freund sah so einfach nur eitel und spießig aus. Und irgendwie weibisch.
»Wie gehen die Geschäfte?«, fragte Vander und nippte an seinem Mineralwasser, das der Kellner zusammen mit dem Bier gebracht hatte.
»Könnten besser sein. Aber darum geht es nicht.« Böskes wollte schnell zur Sache kommen.
»Ist es Joosten? Rolf nervt schon eine ganze Weile wegen der 15.000 Euro, die wir als Spende an seinen Turmverein geben wollen. Ich habe ihn gestern zufällig im Dorf getroffen. Der will einfach nicht kapieren, daß die Kohle nur fließt, wenn der Auftrag auch an Deussen geht. Der hat einfach noch nicht kapiert, daß das Geschäft nur so läuft. Er hat irgendwas von der Presse gefaselt, die sich über ein paar vertrauliche Informationen sicher freuen würde. Ich würde Joosten am liebsten persönlich das Maul stopfen. Was denkt der, wer er ist? Der kann auf das Geld warten, bis er schwarz wird.«
Vander hatte sich in der kurzen Zeit schon in Rage geredet. Was er nicht leiden konnte, waren Bittsteller, die sein Spiel nicht mitspielen wollten. Eine Hand wäscht die andere, dieses Prinzip existierte seit Jahrhunderten und galt nach seinem Verständnis auch und erst recht für die Sanierung des »Alten Lambert«. Basta. Nichts im Leben war umsonst. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte der baufällige Turm ruhig abgerissen werden können. Dann hätte der Marktplatz wenigstens vernünftig bebaut werden können. Er hatte dazu schon vor Jahren mit Deussen manchen Abend über Plänen gebrütet. Auch der Baudezernent und der Stadtdirektor hätten ihn und Deussen bei der Umsetzung ihrer Baupläne unterstützt.
Aber es hatte leider nicht sein sollen. Schließlich stand der Turm unter der Aufsicht des Landesamtes für Denkmalschutz. Und die Experten dort hatten nicht im Traum daran gedacht, den Denkmalschutz für das überflüssige Gemäuer aufzuheben. Und schon damals hatte Joosten keine Gelegenheit ausgelassen, um auf die besondere Bedeutung des Turms für die Kirchenbaugeschichte des ganzen Rheinlands hinzuweisen.
Nun mußte sich Vander gezwungenermaßen mit den Tatsachen abfinden, daß die Bürgerinitiative nicht nur im Dorf immer mehr Unterstützung fand, sondern mittlerweile sogar in der ganzen Stadt. Der Kirchturm wurde immer mehr zum Wahrzeichen von ganz Nettetal. Es sah so aus, als entwickelten die Nettetaler mehr als zwanzig Jahre nach der kommunalen Neugliederung doch noch so etwas wie ein Wir-Gefühl. Was ein paar alte Steine und ein Verein nicht so alles bewegen konnten, hatte ihm Joosten bei einem ihrer Treffen nicht ohne Spott mit auf dem Heimweg gegeben. Vander werde das wohl oder übel anzuerkennen haben.
»Es geht nicht um Joosten. Der ist mir völlig egal. Soll er auf das Geld warten, bis er schwarz wird. Ich habe ganz andere Sorgen. Heike ist tot.«
Vander sah ihn mit ausdruckslosem Blick an. »Mensch, das weiß ich, habe es in den Nachrichten gesehen. Dumme Sache. Mußt dir halt jetzt was anderes zum Ficken suchen. Schade um die hübschen Titten.«
Böskes haßte Vanders vulgären Ton schon immer. Zumindest im Zusammenhang mit Heike mochte er die Sprüche seines Freundes nicht hören. »Hör’ auf damit. Die Sache ist ernster als du denkst.«
Vander sah ihn halb aufmerksam, halb spöttisch an.
Böskes beugte sich vor. »Ich werde erpreßt. 100.000, oder die Polizei erfährt von meinem Verhältnis zu Heike.«
»Und?«
»Was und? Bist du eigentlich noch bei Trost? Hast du nicht verstanden? Ich werde erpreßt. Soviel Geld habe ich nicht. Das kann
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