Der Lambertimord
trotz der Witterung Arbeiter beschäftigt.
»Alter Breyeller Einzelhandelsadel.«
Ecki sah Frank verdutzt an. »Was hast du gesagt?«
»Alter Breyeller Einzelhandelsadel. Da hinten.«
Ecki sah in die Richtung, in die Frank mit seiner Plastikgabel zeigte. »Wen meinst du? Das ist doch dieser Bauunternehmer. Wie hieß er doch gleich? – Böskes. Ja, Böskes.«
»Nein, ich meine den Mann neben ihm.« Frank hatte Rolf Joosten entdeckt. Aus der Zeitung wußte er, daß Joosten der Vorsitzende des Förderkreises war,der sich seit zwei Jahren um die Rettung des Nettetaler Wahrzeichens bemühte. Joosten war einige Jahre älter als Frank. Wenn er an seine Jugend in Breyell dachte, konnte er sich allerdings nicht an Joosten erinnern, und auch an den Tante-Emma-Laden hatte er nur ganz schwache Erinnerungen. Vermutlich, weil er damals nur selten weiter als bis zum Anfang der Dohrstraße gekommen war. In einem Interview der Grenzland-Nachrichten hatte er gelesen, daß Joosten den Vorsitz des Vereins vor allem auch deshalb übernommen hatte, weil er an der Universität in Bochum als Experte für Baustoffe arbeitete. Für die Arbeit des Vereins war das sicher von Vorteil, dachte Frank. Der Vorsitzende des Förderkreises schien sich angeregt mit Böskes zu unterhalten. Joosten war untersetzt und sicher einen guten halben Kopf kleiner als der Bauunternehmer. Mit seinem Kurzhaarschnitt und dem runden Gesicht hatte er nach Franks Einschätzung durchaus etwas von der Statur Napoleons.
Interessiert beobachtete Frank die Szene und hätte darüber fast sein Essen vergessen. Gemeinsam gingen die beiden Männer auf dem Platz vor dem Turm auf und ab. Dabei gestikulierte Joosten aufgeregt mit den Händen, während Böskes seine Hände tief in seinen Manteltaschen vergraben hatte. »Möchte mal wissen, warum Joosten so sauer ist. Guck’ dir das mal an.« Frank stupste Ecki mit dem Ellenbogen an, der seinerseits die Speisekarte über der Theke eingehend betrachtete.
Ecki ließ sich nicht stören. »Dann geh’ doch rüber. Ich glaube, ich werde mir in der Zeit noch eine Frikadelle bestellen.«
»Na, gut, dann bezahl’ für mich mit.« Frank sah Ecki beschwichtigend an, der protestieren wollte. »Keine Sorge, ich bin das nächste Mal dran.« Frank trank seine Coladose leer und ließ den verdutzten Ecki einfach stehen.
Obwohl der Himmel blau war und die Sonne schien, war es nicht sonderlich warm. Frank wechselte aus dem Schatten der Häuserzeile auf die andere Straßenseite und ging am Baucontainer die wenigen Stufen zum Marktplatz hinauf. Irgendwo oben auf dem Baugerüst ratterte ein Preßlufthammer. Das harte Geräusch wurde vom Lambertiturm wie von einem riesigen Resonanzkörper dumpf auf den Platz zurückgeworfen. Wenn es noch kälter wird, dachte Frank, wird das aber nichts mit der Fertigstellung im nächsten Frühjahr.
Als er sich Joosten und Böskes näherte, die aus dem Durchgang zwischen Turm und Café um die Ecke bogen, hielt der Vorsitzende für einen Moment mit offenem Mund wie eingefroren in seinen gestikulierenden Bewegungen inne. Auch Böskes blieb wie angewurzelt stehen.
»Na, meine Herren, wackelt der Turm?« Frank hielt den beiden die Hand hin, die die beiden nur zögerlich annahmen. »Gibt es Probleme?«
Böskes runzelte die Stirn. Er schien verwirrt. »Probleme? Welche Probleme? Seit wann interessiert sich die Polizei für die Bauarbeiten am Turm?«
»Keine Angst, Herr Böskes«, Frank lächelte ihn an, »ich will Ihre Fähigkeiten als Bauunternehmer nicht in Frage stellen. Ich interessiere mich rein privat für das alte Gemäuer. Schließlich bin ich im Schatten vom alten Lambert groß geworden. Ich bin Breyeller von Geburt, Ur-Breyeller, sozusagen. Da interessiert mich natürlich alles, was in meinem Dorf so passiert.«
Böskes schien immer noch verwirrt.
»Zumal hier ja auch zwei Morde passiert sind.« Frank versuchte einen Scherz. »Vielleicht haben die Morde ja direkt was mit dem ollen Kirchturm zu tun. Ein alter Fluch vielleicht?«
Böskes wurde blaß und stotterte. »Wieso zwei Menschen? Was hat der Mord in Leuth mit Heike van den Hövel zu tun?«
Frank biß sich auf die Lippen. Er versuchte Böskes zu beruhigen. Außerdem hatte er das Gefühl, zu viel erzählt zu haben. »Okay, war ein schlechter Scherz. Solche Witze sollte man in dieser Situation nun wirklich nicht machen. Schließlich mußten zwei Menschen ihr Leben lassen.«
»Sind wir klar?« Völlig unbeeindruckt von Franks verbalem Ausrutscher
Weitere Kostenlose Bücher