Der Lambertimord
gebaute Springbrunnen gegenüber vor dem Turm. Den Springbrunnen gab es längst nicht mehr, auch die beiden Bänke davor waren weg.
Frank war damals oft in der Frittenbude gewesen, die so ziemlich mitten zwischen der Bäckerei an der Ecke und der Stadtbücherei lag. Es waren nicht nur die Fritten gewesen, die er so gerne aß und die ihn angelockt hatten. In der Tür und im Fenster hingen damals die aktuellen Kinoplakate, von denen er sich magisch angezogen fühlte: Dr. Schiwago, Wiegenlied vom Totschlag, Die Lümmel von der ersten Bank.
Ecki hatte sich, wie immer, wenn es schnell gehen mußte, sein »Röhrensteak« bestellt. Er hatte jedes Mal seinen Spaß, wenn die Bedienungen in den Imbißbuden in und um Mönchengladbach die Bestellung nicht verstanden, und er erklären konnte, daß mit »Röhrensteak« eine ganz einfache Currywurst gemeint war. Manchmal bestellte er auch einen »Schutzmannteller«, weil er Currywurst mit Fritten, Mayo und Ketchup wollte.
Frank hatte in Erinnerung an früher eine »große Pommes mit Mayo und Senf und eine Frikadelle« geordert. Dazu hatten beide Cola bestellt und sich in eine Ecke an einen der Stehtische verzogen.
»Laß’ uns überlegen, wie wir weiter vorgehen.«
Über den Plastikteller gebeugt, spießte Ecki ein Wurststück auf und schob es sich mit einem langgezogenen »hmmmm« in den Mund. »Der Weg bis hier hat sich schon gelohnt. Auch wenn eine Fahrt in einem MGB bei dieser Witterung schon eine arge Zumutung ist. Das dünne Stoffdach hält ja so gut wie gar nichts ab von der Kälte. Ich hoffe, daß wir den Mondeo bald zurück haben. Und dann hoffentlich noch mit unserer Anlage. Wehe, Laumen hat es gewagt, den Ausbau anzuordnen.«
Frank kaute grinsend auf einem Stück Frikadelle. Ecki war doch ein Weichei. Aus dem würde nie ein echter Cabriofahrer. Außerdem war Frank sicher, daß sich Laumen nicht erdreisten würde, den CD-Player ausbauen zu lassen. »Ach, Laumen, der Spinner, das traut der sich doch nie. Laß’ uns lieber überlegen, was wir gleich als nächstes tun wollen. Ich denke, wir werden als erstes van den Hövel befragen. Danach werden wir, so hoffe ich, gerade rechtzeitig zur Lagebesprechung zurück sein. Dann sehen wir ja, was die Kollegen an Ergebnissen zusammengetragen haben. Der Tag heute ist noch lange nicht vorüber.«
»Das fürchte ich auch. Du scheinst ja wirklich mal gute Laune zu haben. Ich kann nur hoffen, daß wir den Fall bzw. die Fälle bald abschließen können. Marion nervt mich schon seit Tagen, daß ich mit ihr nach Düsseldorf fahre, Geschenke kaufen. Babyborn für Enrika und Halla für den kleinen Nils.«
»Halla?« Frank konnte mit dem Namen überhaupt nichts anfangen.
»Ein Holzpferd zum Schaukeln. Zu Weihnachten.«
Frank stocherte irritiert in seinen Fritten. Klar, Weihnachten, das hatte er völlig vergessen. Frank sah durch die breite Fensterfront nach draußen. Erst jetzt nahm er die Ketten aus dicken Glühbirnen wahr, die über die Straße gespannt waren. Die Weihnachtsbeleuchtung hing schon. Bis Heiligabend waren es keine 14 Tage mehr. Weihnachten: im Moment konnte er mit dem Fest gar nichts anfangen. Dafür hatte er in den vergangenen Wochen zuviel um die Ohren gehabt. Aber: Mord oder nicht Mord, war halt keine Frage der Jahreszeit. »Und, seid ihr Heiligabend alleine oder bei deinen Schwiegereltern?« Frank wußte, daß Ecki jedes Weihnachten eine Tour durch die Verwandtschaft bevorstand. Wenn nicht gerade in einem Mordfall zu ermitteln war.
»Wir sind alleine. Ist auch mal schön. Marion macht Fondue.«
Eine kleine Weile aßen die beiden schweigend. Durch das große Ladenfenster hatte Frank einen freien Blick auf den mit grauen und blauen Planen eingerüsteten Turm. Wenn die Zeitungsberichte stimmten, sollten die Bauarbeiten in der Tat im Frühjahr fertig sein. Danach sah es jetzt allerdings noch nicht aus. Am Fuß des alten Backsteinturms lag noch jede Menge Bauschutt. Er hatte gelesen, daß die Restauratoren mehr Steine als angenommen austauschen mußten. Viele waren durch die Wurzeln des Efeus beschädigt worden, das sich jahrzehntelang ungehindert wie eine grüne Wand um den Glockenturm gelegt und das Bauwerk förmlich zu erdrücken gedroht hatte.
Außerdem hatten offenbar Wind und Wetter die Turmöffnungen marode werden lassen, zumindest mußte ein Großteil der aus Sandstein gehauenen Fensterfassungen ausgetauscht werden. Frank konnte die Bruchstücke neben dem Baucontainer liegen sehen. Auf dem Gerüst waren
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