Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
was es war, was sie an ihm nicht mochte, weil sie Krankenschwester war und kein Taxifahrer, und ihre persönlichen Gefühle würde sie keinen Moment lang sichtbar werden lassen. Sie war viel zu professionell, viel zu gut in ihrem Beruf und behandelte jeden mit mehr oder weniger der gleichen rationellen und munteren Höflichkeit, sogar, dachte sie - und eine eisige Kälte legte sich in diesem Moment auf sie -, sogar Mr. Lump.
»Mr. Lump« war der Name von Mr. Odwins persönlichem Assistenten. Daran konnte sie nichts ändern. Es war nicht ihre Aufgabe, Mr. Odwins persönliche Anordnungen zu kritisieren. Aber wenn es ihre Angelegenheit gewesen wäre, was es nicht war, dann hätte sie es außerordentlich lieber gesehen - und zwar nicht nur ihretwegen, sondern auch um Mr. Odwins persönlichen Wohlergehens willen, was das Wichtigste war -, wenn er hätte jemanden einstellen können, bei dem sie nicht jedesmal absolut alle Zustände gekriegt hätte, das war alles.
Sie dachte nicht mehr drüber nach, sondern machte sich einfach nach ihm auf die Suche. Sie hatte, als sie diesen Morgen zum Dienst kam, mit Erleichterung festgestellt, daß Mr. Lump in der Nacht zuvor das Gelände verlassen hatte, aber dann hatte sie ihn mit dem Gefühl lebhafter Enttäuschung vor ungefähr einer Stunde wieder zurückkommen sehen.
Sie fand ihn genau dort, wo er nicht zu vermuten war. Er hockte auf einem der Stühle im Besucherwarteraum und trug etwas, was einem besudelten und abgelegten Arztkittel, der ihm viel zu groß war, grauenhaft ähnlich sah. Nicht nur das, er spielte eine piepsig unmusikalische Melodie auf einer Art Pfeife, die er sich aus einer großen Einwegspritze gebastelt hatte, die er absolut nicht hätte haben dürfen.
Er blickte mit seinen raschen, grünen Augen zu ihr hoch, grinste und tutete und quiekte einfach weiter, nur bedeutend lauter.
Schwester Bailey ging im Geiste alle die Dinge durch, die zu sagen völlig zwecklos war, sei es über den Kittel oder die Spritze oder über ihn im Besucherwartezimmer, wo er den Besuchern angst machte oder zumindest alle Anstalten dazu traf. Sie wußte, sie würde weder die Miene verletzter Unschuld ertragen können, mit der er antworten würde, noch die absurde Sinnlosigkeit seiner Antworten. Ihre einzige Möglichkeit war, alles schlicht zu übersehen und ihn einfach so schnell wie möglich aus dem Zimmer zu befördern und aus dem Weg zu räumen.
»Mr. Odwin möchte Sie sprechen«, sagte sie. Sie versuchte, etwas von dem normalen federnden Rhythmus in ihre Stimme zu pressen, aber es wollte einfach nicht gehen. Sie wünschte sich, seine Augen würden aufhören, so herumzutanzen. Abgesehen davon, daß sie es sowohl vom medizinischen als auch vom ästhetischen Standpunkt aus höchst störend fand, sie fühlte sich, ob sie es wollte oder nicht, durch den Eindruck gekränkt, daß es in dem Zimmer mindestens siebenunddreißig Dinge gab, die interessanter waren als sie.
Er sah sie auf diese verwirrende Art ein paar Sekunden lang an, dann murmelte er, es gebe keinen Frieden für die Gottlosen, nicht einmal für die äußerst Gottlosen, drückte sich an Schwester Bailey vorbei und rannte davon, den Korridor hinunter, um von seinem Herrn und Meister Instruktionen entgegenzunehmen, schnell, ehe sein Herr und Meister wieder schlief.
KAPITEL 8
Gegen Ende des Morgens hatte Kate das Krankenhaus auf eigenen Wunsch verlassen. Es gab in diesem Zusammenhang anfangs ein paar Schwierigkeiten, weil erst die Stationsschwester und dann der Arzt, dem Kates Fall anvertraut war, unnachgiebig der Meinung waren, sie sei nicht in dem Zustand, das Krankenhaus zu verlassen. Sie sei eben erst aus einem kleineren Koma erwacht und brauche Pflege, sie brauche -
»Pizza -«, beharrte Kate.
- Ruhe, sie brauche -
» - mein eigenes Zuhause und frische Luft. Die Luft hier drin ist grauenhaft. Sie riecht wie ein Staubsauger unterm Arm.«
- weitere Behandlung und sollte bestimmt noch einen Tag oder so unter Beobachtung bleiben, bis man überzeugt sei, daß sie sich völlig erholt habe.
Zum Schluß waren die Leute vom Krankenhaus völlig unnachgiebig. Im Laufe des Morgens verlangte und bekam Kate ein Telefon und startete den Versuch, sich eine Pizza zu bestellen, die an ihre Station geliefert werden sollte. Sie telefonierte mit allen am wenigsten hilfsbereiten Pizzerien herum, die sie in London kannte, bombardierte sie mit beschwörenden Worten, machte dann einige geräuschvoll vergebliche Versuche, einen Motorradkurier
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