Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
Reihe Soldaten inspiziert.
»Ist es gut festgesteckt?« fragte er mit seiner alten, wisperigen Stimme.
»Es ist sehr sorgfältig festgesteckt, Mr. Odwin«, sagte die ältere Schwester unterwürfig lächelnd.
»Ist es sauber umgeschlagen?« Natürlich war es das. Das Ganze war nur ein Ritual.
»Wirklich ganz sauber umgeschlagen, Mr. Odwin«, sagte die Schwester, »ich habe das Umschlagen der Bettücher selbst beaufsichtigt.«
»Das freut mich, Schwester Bailey, freut mich sehr«, sagte Odwin. »Sie haben einen guten Blick für einen sauber umgelegten Kniff. Es peinigt mich der Gedanke, was ich ohne Sie tun soll.«
»Na, ich habe ja nicht vor, woanders hinzugehen, Mr. Odwin«, erwiderte Schwester Bailey und strömte glückverheißende Beruhigung aus.
»Aber Sie bleiben nicht ewig, Schwester Bailey«, sagte Odin. Das war eine Bemerkung, die Schwester Bailey jedesmal, wenn sie sie hörte, wegen ihrer spürbar extremen Gefühllosigkeit verwirrte.
»Sicher, aber keiner von uns bleibt ewig, Mr. Odwin«, sagte sie freundlich, während sie und die andere Schwester die schwierige Aufgabe lösten, Odin wieder ins Bett zu heben, ohne seine Würde zu verletzen.
»Sie sind Irin, nicht wahr, Schwester Bailey?« fragte er, als er vollkommen versorgt war.
»Ja, das stimmt, Mr. Odwin.«
»Kannte mal 'n Iren. Finn irgendwas. Erzählte mir 'ne Menge Stuß, den ich gar nicht wissen mußte. Hat mir nie was über Linnen erzählt. Trotzdem weiß ich jetzt Bescheid.«
Er nickte kurz bei dieser Erinnerung, legte den Kopf steif auf das prall gefüllte Kissen zurück und strich mit dem Rücken seiner zart gefleckten Hand über das zurückgeschlagene Leintuch. Er war ganz einfach in das Linnen verliebt. Sauberes, leicht gestärktes irisches Linnen, gebügelt, gefaltet, festgesteckt - schon die Worte waren geradezu eine Wunschlitanei für ihn. Seit Jahrhunderten hatte ihn nichts derart verfolgt oder bewegt wie jetzt das Linnen. Er konnte um alles auf der Welt nicht begreifen, wie er sich jemals um was anderes hatte kümmern können.
Linnen.
Und Schlaf. Schlaf und Linnen. Schlaf im Linnen. Schlaf.
Schwester Bailey betrachtete ihn mit einer Art Besitzerstolz. Sie wußte nicht, daß er ein Gott war, vielmehr dachte sie, er sei wahrscheinlich ein alter Filmproduzent oder Nazi-Kriegsverbrecher. Fraglos hatte er einen Akzent, den sie nicht ganz unterbringen konnte, und seine unbekümmerte Höflichkeit, sein natürlicher Egoismus und die Besessenheit, was persönliche Hygiene anging, zeugten von einer Vergangenheit, die von Greueln angefüllt war.
Wenn man sie hätte dorthin bringen können, wo sie ihren wortkargen Patienten auf dem Thron sehen konnte, den kriegerischen Vater der kriegerischen Götter von Asgard, wäre sie nicht erstaunt gewesen. Na ja, das stimmt nicht ganz. Sie wäre vor Schreck völlig von den Socken gewesen. Aber sie hätte zumindest erkannt, daß es mit den Eigenschaften, die sie an ihm wahrnahm, total übereinstimmte, sobald sie sich mal von dem Schock der Erkenntnis erholt hätte, daß praktisch alles, woran zu glauben die menschliche Rasse jemals beschlossen hatte, wahr blieb. Oder vielmehr, daß es noch sehr lange wahr blieb, nachdem die menschliche Rasse es als Wahrheit nicht mehr besonders nötig hatte.
Odin entließ seine medizinischen Betreuer mit einer Handbewegung, nachdem er zuvor darum gebeten hatte, nach seinem persönlichen Assistenten zu suchen und ihn noch einmal zu ihm zu schicken.
Das ließ Schwester Bailey ihre Lippen ein ganz klein wenig zusammenkneifen. Sie mochte Mr. Odwins persönlichen Assistenten, sein Faktotum, seinen Diener, als was man ihn auch bezeichnen wollte, nicht. Sein Blick war feindselig, er ließ sie zusammenzucken, und sie hatte den starken Verdacht, daß er ihren Schwestern während ihrer Teepausen unaussprechliche Anträge machte.
Er hatte etwas, was man, wie Schwester Bailey argwöhnte, unter einem olivfarbenen Teint verstand, insofern als er ungeheuer dicht davor war, grün zu sein. Schwester Bailey war überzeugt, daß das absolut nicht in Ordnung war.
Sie war natürlich die letzte, die einen Menschen nach seiner Hautfarbe beurteilt hätte - oder wenn nicht die absolut letzte, so hatte sie es zumindest vor nicht längerer Zeit als gestern nachmittag getan, als ein afrikanischer Diplomat eingeliefert wurde, dem ein paar Gallensteine entfernt werden sollten, und sie hatte augenblicklich eine Abneigung gegen ihn gefaßt. Sie mochte ihn nicht. Sie konnte nicht genau sagen,
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