Der lange Schatten
sowie ein Spezialkommando befanden sich bereits auf dem Weg dorthin.
Franck wählte jetzt die Handynummer, die LaBréa Claudine hinterlassen hatte. Der Chef meldete sich sogleich.
»Hier ist Franck. Wie steht’s?«
»Leider nicht gut, Franck. Der Kerl hat anscheinend alle Handys eingesammelt und spitzgekriegt, dass das Gerät meiner Freundin die ganze Zeit auf Empfang gestellt war. Jetzt ist die Verbindung weg.«
»Scheiße.«
»Das kann man wohl sagen.« LaBréa klang sehr angespannt.
»Von zwei Seiten her wurde aber bereits Alarm ausgelöst. Einmal vom Schalterraum aus.«
»Durch den Kassierer?«
»Ja. Wenn im Kassenbereich ein Alarmknopf gedrückt wird, geht ein Notruf ans Kommissariat, und die Sicherheitsschleuse verschließt sich automatisch und definitiv.«
»Das heißt, der Täter sitzt mitsamt den Geiseln in der Falle.«
»Sie sagen es, Chef. Außerdem hat ein weiterer Bankangestellter die Polizei angerufen. Aber nicht vom Schalterraum aus.«
»Sondern?«
»Hinter dem Schalterraum sind offenbar Büros, getrennt durch eine Tür nach vorn. Der Bankangestellte hat die Tür von seiner Seite aus abgeschlossen, als er einen Schuss gehört hat.«
»Einen Schuss? Wann war das?«
»Etwa zwei Minuten nach zwölf.«
»Okay, dann war das, bevor Céline die Kurzwahltaste gedrückt hat. Gibt es in der Bank Videoüberwachung?«
»Leider nein. Auch von den Büros zum Schalterraum gibt es keinen Sichtkontakt. Deshalb kann niemand aus dem hinteren Bereich sagen, was sich da drinnen abspielt. Aber der Anrufer dort und seine Kollegin sind anscheinend in Sicherheit.«
»Wenigstens etwas.« LaBréa legte auf.
Franck steckte sein Handy in die Tasche seiner Lederjacke. Er wandte sich an Claudine.
»Kennst du eigentlich die Freundin vom Chef?«
»Kennen ist zu viel gesagt. Ich hab sie ein oder zweimal gesehen. Sie ist Malerin, soweit ich weiß.«
»Ich kann mir vorstellen, wie der Chef sich jetzt fühlt«, bemerkte Jean-Marc.
»Ja«, erwiderte Franck. »Und deswegen wird’s ein paar Probleme geben. Wenn der Schöngeist und die Typen vom SEK mitkriegen, dass seine Freundin unter den Geiseln ist, werden sie ihn garantiert aus der Sache raushalten wollen.«
»Tss … Ich glaube kaum, dass ihnen das gelingt«, meinte der Paradiesvogel. »Okay. Ich mache weiter mit den Klamotten.«
»Ich geh ins Büro und lass den Namen des Opfers durchs Programm laufen«, meinte Claudine. »Vielleicht gibt es eine Akte über ihn.«
»Ich würde am liebsten zu der Bank fahren, falls der Chef mich dort braucht«, sagte Franck.
»Davon hat er aber nichts gesagt«, erwiderte Claudine. »Du kannst dich nicht einfach aus den Ermittlungen hier ausklinken, Franck.«
Franck seufzte und strich sich übers unrasierte Kinn.
»Vielleicht hast du Recht. Dann schaue ich mal bei Fourès vorbei. Vielleicht hat der was über Chambon.«
Denis Fourès war der Leiter der Abteilung Drogenfahndung. In seiner umfangreichen Datenbank fanden sich alle Namen, die in den letzten fünf Jahren je mit der Verbreitung und dem Konsum von Drogen in Verbindung gebracht worden waren. Nicht nur in Paris, auch im übrigen Teil des Landes.
6. KAPITEL
Ein schmaler Lichtstrahl fiel plötzlich durch eine Ritze am Fenster, das zur Rue Beccaria führte. Die Jalousien dort waren geschlossen, ebenso wie an den Fenstern neben der Eingangstür. Trotzdem drang jetzt dieser Lichtstrahl hindurch. Wie eine Lanze legte er sich über den Schreibtisch von Leonardo Nadal, glitt über den Steinfußboden und endete einen halben Meter vor dem Blumenhändler Guy Thinot, der in der Mitte des Schalterraums lag. War das Wetter umgeschlagen, hatte die Sonne die Wolkendecke durchbrochen? Im selben Moment wurde Guy Thinot bewusst, wie absurd ein solcher Gedankengang angesichts der Situation schien, in der er und die andern in der Bank sich befanden. Gefesselt auf dem Boden, und die Kassierin war erschossen worden. Als wenig später ihr Handy klingelte, das irgendwo am Kassenschalter lag, hatte der Kerl allen die Handys abgenommen, auch Guy. Aber es war ohnehin nicht eingeschaltet gewesen.
Die Nylonschnur, die Leonardo Nadal ihm angelegt hatte, schnitt schmerzhaft in seine Handgelenke. Die dunkelhaarige Frau schräg hinter ihm stöhnte immer noch. Als der Bankräuber das Handy aus ihrer Jackentasche gezogen und weggelegt hatte, verpasste er ihr einen Tritt in den Unterleib. Dann drückte er ihr seine Waffe an die Schläfe und schrie: »Du willst wohl die Nächste sein, was?« Guy hielt
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