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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra von Grote
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kleinen Denkzettel erholt!« Es klang höhnisch, und LaBréa ballte unwillkürlich die Faust. »Hör gut zu: Morgen früh, Punkt acht, Métrostation Châtelet. Am Ende des Tunnels, der zur Linie 4 führt, Richtung Clignancourt, gibt es einen defekten Plastiksitz. Darunter legst du die Kohle. Pack sie in einen alten Müllsack, damit’s wie Abfall aussieht. Und noch mal: keine Tricks. Sonst siehst du deine Tussi nie wieder. Aber sobald ich das Geld habe und in Sicherheit bin, lass ich sie frei.«
    Ehe LaBréa antworten konnte, ertönte das Freizeichen. Er bremste den Wagen scharf ab und hielt am Straßenrand. Es dauerte nur eine Minute, da rief Achmed vom Technikteam an.
    »Und?«, fragte LaBréa gespannt.
    »Der Anruf kam von einer Telefonzelle am Boulevard Mortier. Gleich hinter der Porte des Lilas.«
    »Danke, Achmed.«
    »Soll ich weiter in Bereitschaft bleiben?«
    »Auf jeden Fall! Rufen Sie Jean-Marc an, und sagen Sie ihm Bescheid. Er und die anderen sollen ihre Posten nicht verlassen, auch wenn er diesmal von woanders angerufen hat. Das Gespräch kam immer noch aus unmittelbarer Nähe von Linie 11.«
    Châtelet … Das war also der Plan des Geiselnehmers. Eine der am stärksten frequentierten Métrostationen der Welt. Soweit LaBréa wusste, nutzten mehr als siebenhunderttausend Menschen täglich diesen Bahnhof. Hier kreuzten sich mehrere Métrolinien mit den großen Linien der Vorortzüge. Ein verwirrendes und unübersichtliches Netz von Tunneln sorgte immer wieder für Diskussionsstoff in der Stadt. Selbst alteingesessene Pariser hatten oft Schwierigkeiten, sich sofort zurechtzufinden.
    Der ideale Ort für die Übergabe eines Lösegeldes, zumal morgens um acht, in der Stoßzeit des Berufsverkehrs. Zehntausende trafen mit den Vorortzügen aus dem Umland ein. Riesige Trauben von Menschen wechselten die Bahnsteige, stiegen um, hasteten zu den Ausgängen. Unmöglich, im dichten Gewühl vieler Menschen jemanden zu schnappen, der eine alte Mülltüte unter einem Sitz hervorzog, im Labyrinth der Gänge verschwand oder sich im Gewimmel der Menschen in den nächsten Métrozug schob. Ein solcher Übergabeort für ein Lösegeld war definitiv nicht zu überwachen, auch nicht mit einem Großaufgebot an Zivilbeamten. Der Geiselnehmer wäre auf der Hut und könnte sofort in der Menschenmasse untertauchen, wenn er Verdacht schöpfte. Zudem boten sich ihm tausend Gelegenheiten, sich irgendwo unauffällig zu postieren und zu beobachten, ob LaBréa wirklich allein kam, um das Geld zu hinterlegen.
    Ein perfider Plan. Selbst wenn das Lösegeld bereitgestellt wurde und der Kerl es abholte, gab es keine Garantie, dass Céline freikam. Gab es überhaupt je eine Garantie bei Geiselnahmen? Oftmals kassierten die Erpresser das Lösegeld und brachten ihre Geiseln danach um. Der Mann hatte bereits in der LCL-Bank zwei Menschen kaltblütig erschossen. Auf sein Konto ging auch der Tod des Blumenhändlers Thinot. Es war nicht anzunehmen, dass er ausgerechnet Céline laufen ließ, die ihn identifizieren konnte. Ein kalter Schauer lief LaBréa über den Rücken. Vielleicht würde er Céline nie wiedersehen, und sein Kind, das sie unter dem Herzen trug, würde nie das Licht der Welt erblicken … Die Vorstellung erfüllte ihn mit quälendem Entsetzen, rief jedoch gleichzeitig neue Kräfte in ihm wach. Er würde alles versuchen, um Céline zu retten.
    Er wählte die Nummer von Capitaine Leconte. Als dieser hörte, wo der Übergabeort des Geldes sein sollte, meinte er mit einem Anflug von Sarkasmus: »Wenn sich nicht einer von uns direkt neben dem Geldsack unter den defekten Sitz auf die Lauer legt und wartet, bis der Kerl das Geld abholt, kriegen wir ihn nie!«
    LaBréa war nicht zum Scherzen zumute. Die Hoffnung, dass die zweihunderttausend Euro bis acht Uhr bereitgestellt wurden, hatte er längst aufgegeben. Als ahnte Leconte seine Gedanken, versuchte er Optimismus zu verbreiten. »Um sechs rufe ich den Abteilungsleiter im Innenministerium an. Und den Bankdirektor klingelt einer meiner Kollegen zur gleichen Zeit aus dem Bett. Da bleiben uns bis acht Uhr noch zwei Stunden.« Er ließ es so klingen, als wäre das eine riesige Zeitspanne. Lächerlich, dachte LaBréa. Das konnte und würde niemals klappen. Was waren Leconte und seine Leute nur für Dilettanten!
    »Wieso konnten Sie ihn nicht zu einer zeitlichen Verschiebung überreden, LaBréa?«
    LaBréa schnaubte. »Ich bin gar nicht zu Wort gekommen. Was stellen Sie sich eigentlich vor? Sie

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