Der lange Traum vom Glück
Persönliche?“
„Wie bitte? Ah, ja, stimmt“. Sie lächelte ihn an. Die Sonne ging gerade unter und ließ sein dunkles Haar aufleuchten. Für sie sah er aus wie der tapfere Ritter, der gerade von einer siegreichen Schlacht zurückkam. „Ach Onkel Alex, ich bin so froh, dass ich hier mit euch allen zusammen bin“.
„Ja, es ist schön, dich bei uns zu haben. Aber lenk nicht ab. Was genau meinst du mit ‘persönlich’?“
Sie seufzte, aber sie war nicht verärgert. „Genau das, was du befürchtest“.
Er stutzte, dann musste er sich beeilen, um Freddie einzuholen, die bereits die Treppen in die U-Bahn-Station hinunterstieg. „Sieh mal … ich weiß, du warst als Kind verknallt in Nick …“
„Das weißt du?“ Sie kramte in ihrer Tasche nach Kleingeld.
„Ja, sicher. Wir alle haben es gemerkt. Es war irgendwie süß“.
„Nick ist es aber nicht aufgefallen“. Sie ließ die Münzen wieder in die Tasche fallen, als Alex zwei Tickets hervorzog.
„Schön, er ist also ein bisschen begriffsstutzig. Aber was ich sagen will, ist … du bist kein Kind mehr“.
Sie blieb hinter dem Drehkreuz stehen, legte beide Hände an sein Gesicht und küsste ihn voll auf die Lippen. „Du weißt ja gar nicht, was es mir bedeutet, dass ausgerechnet du das sagst, Onkel Alex. Ich liebe dich wirklich!“
„Ich liebe dich auch, Freddie, aber ich glaube, dir ist nicht ganz klar, was ich damit ausdrücken wollte“. Er nahm sie beim Ellenbogen und führte sie durch den langen Tunnel.
„Doch, ich weiß, was du meinst. Du machst dir Sorgen, dass ich etwas tun werde, das ich hinterher bedauern könnte. Oder das Nick es bedauert“.
„Sollte er wirklich etwas tun, das er bereut, wird er monatelang kein Klavier mehr spielen können“.
Sie lachte amüsiert. „Alles nur heiße Luft. Du liebst ihn doch wie einen Bruder“.
Seine golden schimmernden Augen verdunkelten sich. „Das hielte mich aber noch lange nicht davon ab, ihm jeden Finger einzeln zu brechen, wenn er sie nicht von dir lässt“.
Sie hielt es für besser zu verschweigen, wo Nicks Finger noch vor wenigen Stunden gelegen hatten. „Onkel Alex, ich liebe ihn“. Sie lachte hell auf und schüttelte ihr Haar zurück. „Ein wunderbares Gefühl! Du bist der Erste, dem ich es sage. Selbst Dad und Mama wissen es noch nicht“. Sie kicherte, als sie seine perplexe Miene sah. „Kommt das denn wirklich so überraschend für dich?“
Die Starre löste sich, und er klappte den Mund wieder zu. Er murmelte einen Fluch, während er sie in den mittlerweile eingefahrenen Zug zog. „Freddie, jetzt hör mir mal genau zu …“
„Nein, du hörst mir zu. Bitte“. Sie griff nach der Stange, um sich festzuhalten, als der Zug anfuhr. „Ich weiß, du denkst, ich würde den Unterschied zwischen einer Teenagerliebe und wahren Gefühlen nicht erkennen. Aber das tue ich, glaube es mir“. Sie sagte es so ernst und mit solcher Überzeugung, dass er schwieg. „Ich liebe nicht den Jungen, den ich vor all den Jahren zum ersten Mal getroffen habe, Onkel Alex. Ich liebe den Mann, der aus ihm geworden ist. Mit all seinen Fehlern und Schwächen, mit all dem, was gut in ihm ist. Sogar das Rebellische. Ich liebe den ganzen Menschen. Vielleicht weiß er es noch nicht, vielleicht will er es auch nicht akzeptieren oder mich nicht lieben, aber das ändert nichts daran, was ich für ihn fühle“.
Alex atmete schwer aus. „Du bist wirklich erwachsen geworden“.
„Ja, stimmt. Und ich habe lauter gute Beispiele vor Augen. Nicht nur Mama und Dad, sondern auch dich und Bess und alle anderen. Deshalb weiß ich, wenn man nur lange genug und intensiv genug liebt, dann ist es für immer“.
Er konnte dem nicht widersprechen. Was er mit Bess gefunden hatte, war etwas ganz Besonderes, und es wurde mit jedem weiteren Tag besser. „Nick ist für mich genauso wichtig wie jedes andere Familienmitglied“, setzte er vorsichtig an. „Gerade deshalb kann ich dir sagen, dass er kein einfacher Mensch ist. Er trägt Lasten aus der Vergangenheit mit sich herum, die er nicht so leicht abschütteln kann“.
„Das weiß ich. Ich will nicht behaupten, dass ich das alles verstehe, aber ich bin mir im Klaren darüber“. Sie legte kurz ihre Hand an seine Wange. „Mach dir nicht zu viele Sorgen, Onkel Alex. Und ich möchte gerne, dass das zwischen uns bleibt. Ich würde es noch gern etwas aufschieben, bevor mir die ganze Familie im Nacken sitzt“.
Als Freddie an diesem Abend in ihr Hotelzimmer
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