Der lange Traum vom Glück
eigenes, ihn unbarmherzig vorwärts treibendes Begehren. Die Bilder, die ihm durch den Kopf schossen, erregten, verwirrten und beschämten ihn.
„Ich habe mein Versprechen gebrochen“, murmelte er und löste sich unter Schwierigkeiten von ihr. „Ich habe gesagt, ich würde dich nie wieder anfassen“.
„Ich will aber, dass du mich anfasst“.
„Ich weiß“. Er ließ seine Hände fest auf ihren Schultern liegen, weil sie leicht schwankte. „Ich möchte, dass du jetzt in dein Hotel gehst. Ich melde mich morgen, wenn ich zurück bin“.
„Du willst, dass ich bleibe“, flüsterte sie. „Du willst mit mir zusammen sein“.
„Nein, das will ich nicht“. Das zumindest war die Wahrheit. Er wollte es nicht, selbst wenn er es so schrecklich zu brauchen schien. „Wir sind eine Familie, Freddie, und es lässt uns aussehen wie Verräter. Ich werde das nicht alles kaputt machen. Und du auch nicht“. Er wich einen Schritt zurück. „So, und jetzt will ich, dass du nach unten gehst und dir von Rio ein Taxi rufen lässt“.
Jeder Nerv in ihrem Körper befand sich in Alarmzustand. Doch obwohl sie am liebsten vor Frustration laut aufgeschrien hätte, sah sie die Besorgnis, die sich in seinen Augen widerspiegelte. „Also gut, Nick. Ich warte, bis ich etwas von dir höre“.
Sie ging zur Tür, wo sie noch einmal stehen blieb und sich umdrehte. „Aber du wirst weiterhin an mich denken. Zu viel. Und es gibt keinen Weg, die Uhr zurückzudrehen“.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, ließ er sich auf dem Klavierhocker nieder. Sie hat recht, dachte er, während er sich mit der Hand übers Gesicht fuhr. Nichts würde jemals wieder so werden, wie es einmal war.
5. Kapitel
Das sonntägliche Essen bei den Stanislaskis war weder eine leise noch eine sehr gemessene oder gar würdevolle Angelegenheit. Seit dem frühen Nachmittag schallten fröhliches Kindergelächter, hitzige Erwachsenendebatten und lautes Hundegebell durch die Räume, die köstlichsten Gerüche wehten durch die Luft.
Das alte Haus wurde bis in seine Grundfesten erschüttert, die Wände ächzten, um all die vielen Menschen aufzunehmen. Mikhails und Sydneys Haus in Connecticut war wesentlich größer, Rachels und Zacks Wohnung wesentlich bequemer und Alex’ und Bess’ Loft wesentlich geräumiger. Aber niemand wäre je auf die Idee gekommen, diese Sonntagstradition des Familienessens an einen anderen Ort als das Heim von Yuri und Nadia zu verlegen.
Denn dieses wunderbare alte Haus, das schier aus seinen Nähten zu platzen schien, war für alle Mitglieder der Familie „zu Hause“, ganz unabhängig davon, wo jeder lebte oder arbeitete.
Mit diesem Gedanken quetschte Freddie sich zwischen Sydney und Zack auf das alte Sofa.
„Hoch!“, verlangte deren Tochter Laurel und streckte die Ärmchen in die Luft.
„Dann komm her!“ Freddie hob die Kleine schwungvoll auf den Schoß und wippte sie auf den Knien.
„Und? Wie gefällt dir die Wohnung?“ Sydney konnte nicht widerstehen und strich ihrem Sohn kurz über den wirren Haarschopf, als der an ihr vorbeiraste, um seinen Cousin zu fangen.
„Sie ist einfach toll. Ich kann dir gar nicht genug danken. Es ist genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Die Größe, die Gegend …“
„Das freut mich“. Sydney beobachtete mit Adleraugen ihren Ältesten. Neuerdings schien es ihm diebischen Spaß zu machen, seine Schwester zu ärgern. Nicht dass sie sich um Moira Sorgen zu machen brauchte. Die Kleine hatte einen kräftigen linken Schwinger. „Griff“, rief Sydney streng. Dieses eine Wort und ein mahnender Blick ließen den Jungen noch einmal überdenken, ob es sich wirklich lohnte, sein Vorhaben durchzuführen und seine Schwester an dem langen Pferdeschwanz zu ziehen.
„Wie sieht es mit Möbeln aus?“
„Ich schaue mich um, aber eher halbherzig“. Von oben ertönte ein markerschütterndes Kriegsgeheul, gleich darauf folgte ein lauter dumpfer Knall, aber niemand im Raum zuckte auch nur mit der Wimper. „Im Moment habe ich mir nur hier und da ein paar Dinge angesehen. Nächste Woche, wenn ich einziehe, werde ich mich wohl gründlicher darum kümmern“.
„Ich kenne da einen Laden im Zentrum, die haben günstige Teppichangebote. Ich werde dir die Adresse raussuchen. Äh, Zack …?“
„Hm?“ Der Angesprochene riss den Blick von dem Football-Spiel auf dem Fernseher los und folgte dem Blick seiner Frau in die Richtung, wo sein Jüngster einen Stuhl an den Schrank gezogen hatte, auf dem Yuri die
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