Der lange Traum vom Glück
zurückkehrte, wartete an der Rezeption ein Brief auf sie. Neugierig riss sie den Umschlag auf, während sie im Aufzug nach oben fuhr.
Darin lag ein Brief von Nick.
Also schön, du hast recht. Es ist Maddys Solo. Morgen will ich den Text sehen. Und zwar einen guten. Ich habe mit Valentine und den anderen Schlips-und-Kragen-Leuten einen Termin vereinbart. Pass auf, dass du nicht alles vermasselst.
Nick.
Sie tanzte zu ihrem Zimmer.
Zwei Stunden später stürmte sie die Treppe zu Nicks Wohnung hoch. Sie wusste, dass er in der Bar arbeitete, weshalb sie nicht von ihm gestört werden konnte. Sie setzte sich an seinen Flügel und stellte den Kassettenrekorder an.
„Ich habe deinen Text, Nicholas, und er ist besser als gut. Hör zu“.
Angefeuert von ihrer eigenen Begeisterung, sang sie ihren Text zu seiner Melodie. Die Worte waren ihr im Kopf herumgegangen, seit sie zum ersten Mal die Musik gehört hatte. Nun verschmolzen sie mit den Noten, als wären sie zusammen geboren worden.
Nachdem der letzte Takt verklungen war, schloss sie die Augen.
„Was treibst du hier?“
Sie schrak zusammen und fuhr zur Tür herum, wo Nick stand. Er sah nicht sonderlich freundlich aus.
„Ich habe dir eine Nachricht dagelassen. Du wolltest den Song vor dem Meeting. Du hast ihn“.
„Ich habe es gehört“. Und er hatte gelitten, während er dagestanden und gelauscht hatte, während sie für ihn sang. „Was tust du hier, Freddie? Ist dir eigentlich klar, wie spät es ist?“
„Ungefähr Mitternacht, schätze ich. Ich dachte, du bist unten beschäftigt“.
„Bin ich auch. Rio sagte mir, dass du hier bist“.
„Du hättest nicht raufzukommen brauchen. Ich wollte nur einfach nicht bis morgen warten. Wie viel hast du gehört?“
„Genug“.
„Und?“ Ungeduldig schwang sie ihre Beine rittlings über die Klavierbank, um ihn anschauen zu können. „Was sagst du dazu?“
„Schätze, es reicht“.
„Na großartig. Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“
„Was willst du denn sonst noch hören?“ Es ist wie Würmer aus der Nase ziehen, dachte sie. Immer. „Was du fühlst“.
Er wusste nicht, was er fühlte. Sie zog ihn ständig irgendwie in Gegenden, die er noch nicht erforscht hatte. „Ich denke, dass es erstaunlich lyrisch ist“, tastete er sich behutsam vor. „Ein Song, der ans Herz geht. Und ich denke, dass die Leute, wenn sie aus dem Theater rausgehen, ihn noch immer hören“.
Sie konnte nicht sprechen. Sie fühlte sich beschämt, als sie merkte, dass sich ihre Augen mit Tränen gefüllt hatten. Hastig senkte sie die Lider und starrte auf ihre ineinander verschlungenen Finger. „Dass du das sagst, hätte ich nicht erwartet“.
„Du weißt selbst, dass du Talent hast, Freddie“.
„Ja. Zumindest habe ich mir das immer eingeredet“. Ruhiger geworden, schaute sie wieder auf. Ihr Herz machte einen kleinen Satz, als sich ihre Blicke begegneten. „Ich habe mir in den letzten Jahren eine Menge eingeredet, Nick. Dinge, die oftmals die Nacht, in der ich sie mir eingeredet habe, nicht überlebten. Aber das, was du eben gesagt hast, wird bleiben, was auch immer geschehen mag“.
Er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden und merkte kaum, dass er auf sie zuging. „Ich fahre morgen zu Valentine und zeige ihm, was wir bis jetzt haben. Du hast morgen frei“.
„Ich könnte ja meinen Umzug vorbereiten, damit ich nicht vor lauter Nervosität sterbe“.
„Prima“. Als ob sie zu jemand anderem gehörte, streckte sich ihr seine Hand entgegen und zog sie auf die Füße. Das einzige Licht im Raum kam von der Lampe, die auf dem Klavier stand. Ihr Schein hüllte sie beide in weiche Schatten ein. „Du hättest heute Nacht nicht mehr hierherkommen sollen“.
„Warum?“
„Ich denke zu viel an dich. Und nicht so, wie ich früher an dich gedacht habe“.
„Die Zeiten ändern sich“, sagte sie mit leicht bebender Stimme. „Und die Menschen auch“.
„Man will es aber nicht, und sie ändern sich nicht immer zum Besseren. Dies hier ist keinesfalls eine Änderung zum Besseren“, raunte er, während sich sein Mund auf den ihren herabsenkte.
Es war nicht so übersteigert diesmal. Sie war seelisch darauf vorbereitet, doch diesmal wurde es ein langsamer, tiefer und leise verzweifelter Kuss. Anstatt sich vom Sturm davontragen zu lassen, wurde ihr Körper einfach nur schlaff und schmolz dahin wie Kerzenwachs unter der Flamme.
Es war die Unschuld, die er spürte. Ihre Unschuld, die keine Chance hatte gegen sein
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