Der lange Traum vom Glück
konnte jedoch spüren, wie sie ihn einkreiste. „Freddie“. Er stieß einen langen Atemzug aus. „Ich versuche vernünftig zu sein, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es klappt“. Er schaute sie mit gerunzelter Stirn an. „Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt irgendetwas klappt. Vielleicht hat sich ja wirklich etwas verändert zwischen uns, aber worin diese Veränderungen auch bestehen mögen, sie tragen dazu bei, dass nicht mehr alles so glatt abläuft wie früher. Wenn wir mit unserer Zusammenarbeit unsere gute alte Freundschaft aufs Spiel setzen …“
„Macht es dich etwa nervös, Nick, mit mir zusammenzuarbeiten?“
Keinen Knopf hätte sie mit mehr Erfolg drücken können. Wie sehr er sich auch über die Jahre verändert haben mochte, der rebellische Junge, für den es eine Sache der Ehre war, sich seinen Stolz zu bewahren, war noch immer irgendwo in ihm.
„Selbstverständlich nicht“.
„Schön, dann haben wir ja kein Problem. Aber wenn du Angst hast, du könntest dich nicht davon abhalten – wie hast du es doch so lyrisch ausgedrückt? – ach ja, eine Kostprobe von mir zu nehmen, dann …“
„Ich fasse dich nie mehr an“.
Angesichts der grimmigen Entschlossenheit, die in seiner Stimme mitschwang, lächelte sie nur noch süßer. „Na dann. Ich schlage vor, du machst das Beste aus deinem Frühstück, jetzt, wo es kalt ist. Und dann gehen wir an die Arbeit“.
Er hielt Wort. Sie arbeiteten über Stunden zusammen, und er berührte sie nicht ein einziges Mal. Es kostete ihn viel. Sie hatte so eine Art, ihr Gewicht zu verlagern oder ihren Kopf auf die Seite zu legen, um ihn unter gesenkten Wimpern hervor anzuschauen – lauter Dinge, die einen gesunden Mann um den Verstand bringen konnten.
Am Ende des Tages war Nick sich nicht mehr sicher, ob er noch bei Verstand war.
„Das ist genial“, murmelte Freddie mit Blick auf die Noten, die Nick vom Blatt abspielte. „Maddy würde das bestimmt gut rüberbringen“.
„Ich habe nie gesagt, dass das Maddys Solo ist“, beschied Nick sie ungehalten, obwohl das nicht der eigentliche Grund war. Der Grund war, dass Freddie seine Gedanken ebenso wie seine Musik viel zu klar lesen zu können schien. Und das beunruhigte ihn. „Vielleicht mache ich ja ein Duett daraus“.
„Nein, das machst du nicht“, widersprach sie ruhig. „Aber wenn du unbedingt willst, von mir aus“. Sie warf ihm einen Blick von der Seite zu. „Mir würde schon ein Text dafür einfallen. Ich fände es zwar nicht gerade genial, aber ich bin anpassungsfähig. Vielleicht solltest du dann aber das Tempo etwas beschleunigen“.
„Ich will das Tempo nicht beschleunigen. Es ist gut so, wie es ist“.
„Nicht für ein Duett. Gut, aber was Maddys Solo anbelangt, sollte es vielleicht irgendetwas sein wie … ‘Du lässt mich die Zeit vergessen, es gibt kein Heute, kein Morgen, wenn du …’“
Nick unterbrach sie. „Versuchst du etwa mich auszutricksen, kleine Hexe?“
„Nein. Ich versuche mit dir zu arbeiten“. Sie machte sich eine kurze Notiz auf einem der Notenblätter, dann drehte sie sich wieder zu ihm um und lächelte ihn an. Wir haben lange gearbeitet, Nick. Ich glaube, du brauchst eine Pause“.
„Ich weiß selbst, wann ich eine Pause brauche“. Er schnappte sich das Päckchen Zigaretten, das auf dem Klavier lag, und steckte sich eine an. „Halt einfach nur einen Moment den Schnabel und lass mich das fertig machen, okay?“
„Okay“. Freddie rutschte von der Bank herunter. Sie rollte ihre Schultern und streckte sich, während er auf dem Klavier herumklimperte und immer wieder neue Noten auf das Notenblatt schrieb. Die Noten veränderte, wo sie doch beide wussten, dass sie keiner Veränderung bedurften.
Sie registrierte, dass er gegen sie ankämpfte, und es gab nichts, was sie mehr gefreut hätte. Wenn er kämpfte, dann bedeutete dies, dass es da etwas gab, gegen das er sich zur Wehr setzen musste. Versuchsweise legte sie ihre Hände auf seine Schultern und fing an, sie sanft zu massieren.
Er kam in Sekundenschnelle von null auf hundertachtzig. „Finger weg, Freddie“.
„Du bist ganz verspannt“.
Seine Hände knallten auf die Tasten nieder. „Ich sagte, Finger weg“.
„Puh, bist du aber empfindlich“, murmelte sie, nahm jedoch die Hände weg. „Ich hole mir etwas Kaltes. Willst du auch was?“
„Bring mir ein Bier“.
Sie hob eine Augenbraue, weil sie wusste, dass er bei der Arbeit selten etwas anderes als Kaffee trank. Während sie in der
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