Der lange Traum vom Glück
Jungen herunter, der eifrig an seiner Hose zupfte. „Warte, bis ich wieder eine Hand frei habe, Kyle“.
„Kyle, lass Nick in Ruhe“. Bess nahm das Glas Saft entgegen, das Freddie ihr reichte.
„Aber Mom, er hebt Laurel doch auch hoch“.
„Warte, nur einen Augenblick“. Nick stellte die Margeriten ins Wasser und hob den Jungen auf den zweiten Arm. Dann drehte er sich zu Freddie um. „Na Kleine? Wie sieht’s aus?“
„Sag du mir, wie’s aussieht. Hast du von dem Produzenten gehört?“
„Es ist Sonntag“, erinnerte er sie. „Er ist mit seiner Familie in die Hamptons gefahren oder nach Bar Harbor oder sonstwohin. Er wird sich sicher in ein paar Tagen melden“.
In ein paar Tagen. Bis dahin würde sie vor Aufregung längst geplatzt sein. „Er muss doch irgendeine Reaktion gezeigt haben“.
„Nein, eigentlich nicht“.
„Hat er sich das Tape angehört?“
Nick kitzelte Kyle, der begeistert kicherte. „Natürlich hat er es sich angehört“.
Dann streckte Kyle die Arme nach Freddie aus, und sie setzte ihn automatisch auf ihre Hüfte. „Und? Ich meine, was hat er gesagt, nachdem er es gehört hat?“
„Nicht viel“.
Sie nahm sich zusammen, um nicht laut aufzuschreien. „Er muss doch irgendwas gesagt haben. Irgendeine Andeutung“.
Nick zuckte nur die Schultern und griff nach einer Karottenscheibe aus der Salatschüssel. Bess haute ihm blitzschnell auf die Finger.
„Mein Gott, Bess, wem soll das schon auffallen, wenn das Stückchen fehlt?“
„Mir. Ich kreiere hier eine Komposition aus Farben und Formen. Hier, nimm die“. Sie hielt ihm eine ganze Möhre hin.
„Danke. Also“, wandte er sich wieder an Freddie, „warum beschäftigst du dich nicht erst mal mit deiner Wohnung?“ Er beobachtete sie genau, während er genüsslich an der Möhre knabberte. Es gefiel ihm, wie ihre grauen Augen dunkler wurden wie Gewitterwolken und die Unterlippe sich ein klitzekleines bisschen vorschob, wenn sie ihre Wut zu kontrollieren suchte. „Kauf dir den ganzen Kram, den du brauchst. Ich lass von mir hören, sobald ich etwas weiß“.
„Und ich soll also einfach warten?“
Als wollte er sein Mitgefühl bekunden, legte Kyle seinen Kopf an Freddies Schulter. „Ich soll einfach warten?“, ahmte er sie nach.
„Es wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben. Und komm ja nicht auf die Idee, Valentine selbst anzurufen. Ob er nun ein Freund der Familie ist oder nicht, so funktioniert das nicht bei mir“.
Es brodelte in ihr, denn genau das hatte sie vorgehabt. „Es kann doch nichts schaden, wenn …“
„Nein“, sagte er nur, gab die Möhre an Laurel weiter und ging mit ihr hinaus.
„Sturer, rechthaberischer Maulheld“, zischte Freddie ihm nach.
„Maulheld! Maulheld!“ Das Wort gefiel Kyle ganz offensichtlich.
„Tante Bess, wenn du Beziehungen hast, benutzt du sie doch auch, oder?“
Das Schneiden eines Champignons schien plötzlich Bess’ ganze Aufmerksamkeit zu erfordern. „Also, so langsam kriege ich es raus. Das muss aus dem Handgelenk kommen …“
„Angeberischer Idiot“, fauchte Freddie unter angehaltenem Atem.
„Idiot!“, stimmte Kyle entzückt zu und ließ sich von ihr aus der Küche tragen.
„Gestern noch Kinder, und heute sind sie schon erwachsen“, bemerkte Nadia.
„Es ist gar nicht so leicht, erwachsen zu werden“.
Nachdenklich rollte Nadia den Kuchenteig aus. „Er schaut sie mit diesem Blick an“.
Bess hob den Kopf. Sie war nicht sicher gewesen, ob es Nadia aufgefallen war. Aber sie hätte es besser wissen müssen. Nadia entging nichts, was ihre Familie betraf.
„Und sie sieht genauso zurück“, sagte sie.
Die beiden Frauen lächelten sich verschwörerisch an und nickten.
„Sie würde ihn dazu bringen, das Beste aus sich herauszuholen“.
Bess nickte. „Und er würde ihren übermäßigen Ehrgeiz ein wenig zügeln“.
„Er hat so ein gutes Herz. Und große Sehnsucht nach einer Familie“.
„Das haben sie beide“.
„Das ist gut“.
Bess hob ihr Saftglas und trank. „Also wirklich, es ist einfach großartig“.
Das war nur das erste in einer Reihe von Gesprächen, die Freddie und Nick entsetzt hätten, wenn sie sie hätten hören können.
Im Loft kuschelte Bess sich enger in Alex’ Arm und gähnte herzhaft. Das erste Drittel einer Schwangerschaft machte sie immer so herrlich träge und faul.
„Alexej?“
„Hm?“ Er strich ihr über den Kopf, mit den Gedanken halb bei den laufenden Nachrichten im Fernseher, der im Schlafzimmer stand,
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