Der lange Traum vom Glück
wenn einem beim Ausleben seiner Kreativität immer wieder scheinheilige Bemerkungen in die Quere kommen“. Dieser Hieb hatte gesessen, genau wie sie es beabsichtigt hatte.
„Warum versuchst du nicht einfach, deinen Job zu machen? Ich kann dich schließlich nicht an den Haaren herbeizerren“, revanchierte er sich erbost.
Jetzt kam ihr Atem zischend heraus. „Mich braucht niemand an den Haaren herbeizuzerren. Ich bin hier, oder etwa nicht?“
„Ausnahmsweise“. Er warf die Zigarette in den Aschenbecher, wo sie weiter vor sich hin qualmte. „Und warum versuchst du dann nicht, dich ein bisschen zu konzentrieren, damit wir weiterkommen? Nicht jeder hat Daddys Geld im Rücken, manche Leute müssen sich ihren Lebensunterhalt mit eigener Hände Arbeit verdienen“.
„Das ist unfair“.
„Das ist Tatsache, Kleine. Und ich will keine Partnerin, die nur Songwriter spielt, solange es in ihren Terminkalender reinpasst“.
Freddie drehte sich halb um, um ihn besser anschauen zu können. „Ich arbeite genauso hart wie du, sieben Tage die Woche, seit fast drei Wochen jetzt“.
„Außer wenn du dir gerade Bettwäsche oder Lampen kaufen oder darauf warten musst, dass dein Bett geliefert wird“.
Er köderte sie ganz bewusst, und sie schluckte den Köder. „Wenn du dich nicht geweigert hättest, in meiner Wohnung zu arbeiten, hätte ich mir dafür nicht freizunehmen brauchen“.
„Ja, toll. In dem ganzen Dreck von Yuris Sägespänen und dem Höllenlärm, den er veranstaltet“.
„Ich brauche nun mal Regale“. Sie tat ihr Bestes, ihren Zorn im Zaum zu halten, während er dem seinen die Sporen zu geben schien. „Und es war ja wohl kaum mein Fehler, dass das Bett drei Stunden später als angekündigt kam. Immerhin habe ich in dieser Zeit den Refrain des ersten Solos im zweiten Akt fertig gemacht“.
„Ich habe dir gesagt, dass es Arbeit ist“. Ohne eine Antwort abzuwarten, begann Nick wieder zu spielen.
„Und das Solo ist gut“.
„Es bedarf der Überarbeitung“.
Sie atmete laut aus, aber sie ließ sich nicht dazu herab, ihm zu widersprechen. „Also schön, ich feile weiter daran. Es würde helfen, wenn die Melodie nicht so flach wäre“.
Das war der Gipfel. „Erzähl mir nicht, dass die Melodie flach ist!“, explodierte er. „Wenn du nicht genügend Fantasie hast, um dir einen Text dafür einfallen zu lassen, mache ich es eben selbst“.
„Ach wirklich? Wo du doch mit Worten so ein glückliches Händchen hast“. Ihre Worte trieften förmlich vor Sarkasmus, als sie sich erhob. „Nur zu, Lord Byron, schreiben Sie uns ein Gedicht“.
Er schien sie mit Blicken erdolchen zu wollen. „Komm mir jetzt nicht mit deiner vornehmen Erziehung, Freddie. Ein College besucht zu haben bedeutet noch lange nicht, dass man ein guter Texter ist, und Beziehungen nützen da auch nichts. Ich habe dir eine Verschnaufpause gegeben, und die hättest du wenigstens nutzen können“.
„Du gibst mir eine Verschnaufpause“. In ihrer Stimme schwang ein Grollen mit, wild und gefährlich. „Du eingebildeter, überheblicher Idiot! Alles, was du mir gegeben hast, ist Kummer. Ich gebe mir meine Verschnaufpausen selber. Dafür brauche ich dich nicht. Und wenn dir meine Arbeitsgewohnheiten nicht passen oder die Ergebnisse, beschwer dich doch beim Produzenten über mich“.
Sie stürmte durchs Zimmer, wobei sie unterwegs ihre Handtasche einsammelte.
„Wo zum Teufel willst du hin?“
„Mir die Nägel maniküren lassen“, schoss sie zurück und war schon an der Tür.
„Wir sind noch nicht fertig. Los, setz dich wieder hin und tu, wofür man dich bezahlt“.
Sie wollte schon hinausstürmen, dann aber entschied sie sich für einen würdevolleren Abgang. „Lass uns eines ein für alle Mal klarstellen. Wir sind Partner, Nicholas, und das bedeutet, dass du nicht mein Boss bist. Verwechsle die Tatsache, dass ich dir bis jetzt erlaubt habe, den Ton anzugeben, bitte nicht mit Unterordnung“.
„Du hast mir erlaubt, den Ton anzugeben?“, fragte Nick reichlich fassungslos. „Soll das ein Witz sein?“
„Überhaupt nicht. Es ist völlig korrekt. Ebenso wie ich deine sprunghaften Launen, deine Schlamperei und deine Angewohnheit, bis in die Puppen zu schlafen, hingenommen habe. Das sind alles Dinge, die ich toleriert habe in der Annahme, dass sie zu deiner Kreativität eben dazugehören. Ich arbeite hier in diesem Saustall, in dem du lebst, richte meinen Terminkalender nach deinen Bedürfnissen aus, ja, ich bemühe mich
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