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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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    »Ich glaube, der ist seit längerer Zeit nach Russisch-Polen hinüber. Er hat dort etwas zu suchen.«
    »Verdammte Sauerei, mistige«, maulte der eine Gendarm. »Hat dieser revolutionäre Satansbock, der vermaledeite, doch schon Lunte gerochen.«
    »Verzeihung, Herr Gendarm«, mahnte der Pfarrer, »das Fluchen ist nicht nützlich für einen Christenmenschen.«
    »Sind Sie schon einmal dreißig Kilometer für die Katz geritten, Herr Pfarrer?«
    »Bin ich. Und nicht nur einmal. Liegt doch vor sechs Wochen, oder sieben, der Johann Szamczek im Sterben, weit drüben auf Leschinen zu. Ich höre davon und reite gleich los. Denn er ist ein Sünder und will vielleicht noch in seiner letzten Minute dem Teufel von der Schüppe springen. Ich komme endlich an, mitten in der Nacht. Und was sagt die Frau mir, als ich in die Stube trete? Denken Sie, Hochwürden, sagt sie, vor drei Minuten hat er noch geatmet. Ich hab den Hufschlag gehört drüben im Wald. Da hab ich zu ihm gesagt, Johann, hab ich gesagt, es möcht vielleicht der Pfarrer sein wegen deiner schwarzen Seele. Denken Sie, hochwürdiger Herr, da hat er den Kopf auf die Seite gedreht und tut keinen Mucks mehr. Tot ist er, mausetot.«
    »Und was haben Sie da gesagt, Herr Pfarrer?«
    »Nun was soll ich da gesagt haben?«, antwortete der Pfarrer ver­legen.
    »Hab ich gesagt: Unerforschlich sind die Wege des Herrn.« Allmählich wurde es dem Pfarrer unter der Soutane ziemlich heiß, sei es, weil die Gendarmen keine Anstalten machten zurückzureiten, sei es, weil er in weniger als fünf Minuten zweimal an der Wahrheit vorbeigesprochen hatte. Denn bevor er bei dem Szamczek auf den Bibelspruch gekommen war, hatte er ein ziemlich kräftiges »Aas, verdammtes« losgelassen. Und der Einfall, der Lehrer sei in Russisch-Polen, stimmte auch nicht. Piet van Heiden wollte Pfifferlinge suchen. Richtig war, dass es in den Wäldern jenseits der Grenze mehr von den Pilzen zu finden gab als rund um das Dorf. Ob er so weit gelaufen war?
    Die Gendarmen sahen sich inzwischen von Kindern umlagert, tranken, ohne von den Pferden zu steigen, schnell den Schnaps, den die Haushälterin des Pfarrers herbeitrug, auch einen zweiten, einen dritten schließlich, ritten dann aber wieder unverrichteter Dinge in Richtung Ortelsburg zurück, nicht ohne den Pfarrer zu mahnen sofort Nachricht zu geben, falls der Lehrer sich einfallen lasse wieder nach Liebenberg zurückzukehren.
    Der Pfarrer schickte als Boten den kleinen Jungen von Warich, als er glaubte, der Lehrer müsse aus den Wäldern zurück und wieder zu Hause sein. Mit einem Korb voller Pfifferlinge brachte der Junge die Antwort: »Der Lehrer lässt danken und er sagt, er wird es machen wie die Apostel vor dem Pfingstfest.«
    »Und, Jungchen, kennst du deine Bibel? Wie haben es die Apostel vor Pfingsten gemacht?«
    »Versteckt haben sie sich, Herr Pfarrer, und die Türen und Fenster haben sie verrammelt.«
    »Gut, Jungchen. Kennst deine Bibel gut. He, Katrin«, rief er seiner Haushälterin in der Küche zu, »gib dem Jungchen ein Zuckerstück. Er hat es redlich verdient.«
    Wer eigentlich im Dorfe als Erster auf den Gedanken verfallen war, sie sollten zum Abschied ein großes Fest feiern, daran wusste sich später niemand mehr recht zu erinnern. Der Tag war heiß. Die Frauen brieten und brutzelten. Vom Gut her waren zwei Hammel geschickt worden, die über dem offenen Feuer gebraten werden sollten. Die Männer stellten am Nachmittag aus rohen Bohlen und Brettern mitten auf der Dorfstraße lange Tische auf und zimmerten Bänke zusammen.
    Die Sonne senkte sich rot und groß über die Baumwipfel. Kein Lüftchen rührte sich. Über den Sträuchern waberten müde die Mückenwolken. Schwalben segelten durch die Lüfte und wurden, als die Dämmerung sich allmählich über das Dorf breitete, von Fledermäusen abgelöst. Die Hammel drehten sich am Spieß über der Glut.
    Frisches Bier war gebraut worden und knusprige Brote lagen auf den Tischen. Keiner, der laufen konnte, war in den Häusern zurückgeblieben. Das ganze Dorf wollte feiern. Der Warich spielte auf seiner Geige und Franek zupfte den Bass dazu. Gelegentlich nahm der Lehrer seine Trompete und gesellte sich zu den Musikanten. Die jüngeren Leute versuchten ein Tänzchen. Aber es gab kein Festgeschrei und nur selten klang ein lautes Lachen auf. Niemand sprang auf die Bank und erzählte eine lustige Geschichte.
    Der Junge saß direkt neben Warichs Lisa und tastete nach ihrer Hand. »Ich werde an

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