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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Testament, stammte denn auch sein Wortschatz und biblische Geschichten bildeten den Hintergrund seiner Lektionen. Mit »Gott segne euch« begann jede Stunde und dann stellte er Fragen nach Moses und den Propheten und ließ Vokabeln einüben wie Paradies und Wüste und Engel und Schlange und Sünde und Tod. Schließlich konnte selbst der ziemlich mundfaule dicke Grumbach die Zehn Gebote fließend auf Englisch daherschnattern und Mathilde hatte kaum noch Schwierigkeiten von Adam bis zu den Makkabäern.
    In diesem begrenzten Bereich entwickelte der Pfarrer einen großen Eifer, und wenn er nach vollen zwei Stunden am Abend seinen Unterricht mit dem Wort schloss: »Ihr Völker aller Zungen, lobet den Herrn«, dann antworteten die Männer erleichtert aufatmend: »Dank sei Gott, halleluja.«
    Diese Worte sprach sogar Gustav Krohl fehlerfrei aus, weil er sie jedes Mal rief, sobald er einen Schnaps gekippt hatte.
    So vergingen die Wochen. Der Frühling warf seinen grünen Mantel über die Erde und die Männer begannen die Äcker zu bestellen. Das erste Heu wurde in die Scheunen gebracht. Da zogen für ein paar Tage die Zigeuner mit ihren Wagen durch die Wälder rund um das Dorf.
    Sie versuchten, wie in jedem Jahr, zu handeln. Doch nie zuvor hatten sie so gute Geschäfte gemacht wie in diesem Frühjahr vor der großen Fahrt. In vielen Familien wurde verkauft, was nur eben zu entbehren war, damit das Geld für die Überfahrt und noch ein erster Zehrpfennig für das neue Land zusammenkamen.
    Vierzehn Tage vor dem Aufbruch kam Döblin und zählte dem alten Mann die Taler für sich und den jungen Andreas auf den Tisch.
    »Ich werde dir drüben von seinem Lohn alles zurückzahlen«, versprach der alte Mann. »Alle haben sie jetzt bezahlt. Die sechzehnte Passage werde ich wohl aus meiner eigenen Tasche dazu­legen müssen.«
    »Vielleicht findest du in Danzig einen Passagier, dem an einer schnellen Einschiffung liegt«, sagte Döblin. »Als ich gestern in Ortelsburg beim Notar den Vertrag für den Verkauf meines Hauses unterschrieben habe, da habe ich gehört, dass sie nach Politischen suchen. Vielleicht findest du einen, der schnell hinüberwill.«
    »Mag sein«, antwortete der alte Mann. »Was waren das für Leute, die sie suchten?«
    »Sie haben mich gefragt, ob hier bei uns im Dorf in den letzten Monaten Fremde aufgetaucht sind, die aufrührerische Reden gehalten haben. Aber bis zu uns, da kommt ja keiner. Das habe ich ihnen ja auch geantwortet.«
    »Anderes wollten sie nicht wissen?«
    »Doch. Ob von uns irgendeiner auffällig oft in die Stadt fahre oder gar jemand nach Königsberg oder Danzig gereist sei. Ich habe ihnen gesagt, dass bei uns niemand Zeit und Geld hat zum Vergnügen zu reisen und dass du der Letzte gewesen bist, der im Winter nach Danzig gefahren ist.«
    »Hast du auch den Lehrer erwähnt?«
    »Ja, das habe ich. Sollte ich das nicht?«
    »Doch. Er war ja mit. Warum solltest du nicht bei der Wahrheit bleiben. Liebenberg ist kein Pflaster für Rebellen.«
    Döblin ging, aber den alten Mann ließ der Gedanke nicht los, dass sie doch hinter dem Lehrer her sein könnten. Als Piet van Heiden am Abend auf einen Sprung ins Haus kam, berichtete der alte Mann ihm, was Döblin zu erzählen gewusst hatte. Wenig später kam Mathilde atemlos aus dem Gut gerannt.
    »Hast du schon mit Vater geredet, Piet?«, fragte sie.
    »Was gibt es zu reden?«, fragte der alte Mann.
    »Wir haben gedacht, Friedrich Bienmann, die Mathilde und ich, wir sollten im nächsten Jahr heiraten. Und weil Sie ja dann in Amerika sind . . .«, stotterte der Lehrer.
    »Ich habe nichts gegen Sie, Piet van Heiden. Aber führen Sie nicht ein zu gefährliches Leben für einen Ehemann?«
    »Was meinst du damit, Vater?«
    Der alte Mann erzählte noch einmal, was sie Döblin in Ortelsburg auf dem Amt gefragt hatten.
    »Im Schlosse haben sie auch schon wissen wollen, ob du ein Aufrührer bist, Piet«, sagte Mathilde ängstlich.
    »Das ist es ja, was mich so unentschlossen macht«, murmelte der Lehrer bitter. »Wenn sie mich aufstöbern, dann fragen sie nicht lange nach Schuld und Vergehen. Dann steckt mich der König in eine finstere Kasematte und vorbei ist es mit der Hochzeit.«
    Der alte Mann trat auf Piet van Heiden zu und sagte: »Wenn die Mathilde Sie trotzdem will, dann soll es mir recht sein. Mir ist ein Feuerkopf lieber als ein Trottel in der Zipfelmütze.«
    »Danke«, antwortete der Lehrer.
    Am Abend gingen sie zu ihrer letzten Englischstunde in die

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