Der Lange Weg Des Lukas B.
zuversichtlich. »Er war doch im Winter sehr nett zu mir.«
Der Kapitän jedoch war nicht aufzufinden. Der erste Steuermann gab, kurz angebunden, Auskunft. »Der Herr Kapitän ist im Kontor. Aber machen Sie sich keine Hoffnung auf eine Passage. Die ›Neptun‹ ist bis auf das letzte Mauseloch voll gestopft mit Menschen.«
Der alte Mann ließ zunächst sein Gespann entladen. Er zeigte Lenski das Steerage und erklärte ihm, wo er die Kisten unterbringen solle und welchen Platz die Leute zugeteilt bekämen. Am Nachmittag sollten die anderen Gespanne wieder nach Liebenberg zurückfahren. Er wolle seine Pferde auf dem Markt verkaufen. Mit dem Jungen fuhr er dorthin. Es war so, wie man ihnen im Winter gesagt hatte. Auf dem Markt herrschte ein reger Betrieb. Die jungen Braunen von Bienmanns gingen willig im Geschirr und waren gut gepflegt. Bald scharte sich eine Gruppe Schaulustiger um das Gespann. Auch ein Pferdehändler zeigte Interesse. Der alte Mann machte jedoch zunächst einen Rundgang über den Markt, schaute aufmerksam die Tiere an und fragte, wie viel sie kosten sollten. Schließlich nannte er dem Händler für sein Gespann einen mittleren Preis.
Der witterte ein gutes Geschäft und versuchte zu feilschen. Zehn Taler weniger, als der alte Mann verlangt hatte, wollte er bar bezahlen. Herausfordernd streckte er ihm seine Hand zum Zuschlag entgegen. Der alte Mann jedoch sagte: »Sie wissen, dass mein Angebot günstig ist. Es hat seinen Grund, dass ich die Pferde so billig weggeben will. Ich muss sie schnell verkaufen. Aber verschleudern werde ich sie nicht.«
»Und wenn ich nun, Väterchen, ein paar Stündchen warte, wird es dir dann nicht sehr recht sein, wenn du überhaupt noch etwas für deine Pferdchen bekommst?«
Der alte Mann antwortete: »Du bist nicht der einzige Händler hier auf dem Markt. Lass heute das lange Handeln. Ich weiß, dass ein kurzes Geschäft kein interessantes Geschäft ist. Ich habe vor zwei Jahren mit einem Zigeuner drei Tage um ein Pferd gehandelt, bevor ich es kaufte. Heute bin ich in Eile. Aber mache dir deswegen keine Hoffnungen. Bevor ich die Pferde für einen betrügerischen Preis abgebe, fährt meine Tochter mit dem Gespann in unser Dorf Liebenberg zurück.«
Der Händler spürte, dass ein leichter Gewinn nicht zu erzielen war, und wollte sich wenigstens das solide Geschäft nicht entgehen lassen.
»Gut«, willigte er ein. »Ich zahle die Summe, die du verlangst, und gebe dir zehn Taler dazu. Aber den Wagen und das Geschirr, das musst du obendrauf legen.«
Da schlug der alte Mann ein, kassierte das Geld, tätschelte die Pferde noch einmal und ging dann mit dem Jungen zum Hafen zurück.
Inzwischen stand der Kapitän selbst an Deck. Er begrüßte den alten Mann kurz.
»Für Ihre Tochter, Meister Bienmann, da ist kein Platz mehr an Bord. Leider.« Er zog bedauernd die Schultern hoch. »Ich hätte die hübsche Frau gern näher kennen gelernt.«
»Ich habe ihr das gleich gesagt«, antwortete der alte Mann. »Es ist schade, weil sie den Lehrer drüben heiraten wollte. Wo stecken die beiden denn?«
Der Junge schaute sich nach Mathilde um. Die saß mit verheulten Augen mit dem Lehrer auf einer Kiste im Steerage. Piet schaute auch ratlos drein. »Wir müssten ein anderes Schiff von Bremerhaven oder Hamburg aus nehmen«, sagte er gerade, als der Junge eintrat.
»Und wenn sie dich fangen?«, jammerte Mathilde. »Nein, nein, du fährst auf jeden Fall mit der ›Neptun‹. Mir fällt bestimmt noch etwas ein. Vielleicht komme ich später nach, vielleicht warte ich auf dich und du kommst zurück, wenn Gras über das Treffen in Danzig gewachsen ist.«
»Sie werden an Deck gesucht, Herr Lehrer«, sagte der Junge. Mathilde rührte sich nicht von der Kiste. Als der Lehrer hinausgegangen war, schaute sie den Jungen lange an. Schließlich sagte sie leise: »Auf dich kann man sich felsenfest verlassen, Luke, sagt mein Vater immer, oder?«
»Weißt du doch, Rotkopf.«
Sie nahm einen verschlossenen Brief aus ihrer Rocktasche und legte ihn neben sich auf die Kiste. »Wirst du mir versprechen diesen Brief erst zu öffnen, wenn ihr die Küsten von England einen vollen Tag hinter euch gelassen habt?«
»Warum?«
»Frage nicht, antworte. Versprichst du es?«
»Wenn du es willst.«
»Lege die Hand auf den Brief, Luke, und sprich: Ich schwöre es bei der Gesundheit meiner Mutter.«
»Was soll das? Warum machst du es so feierlich?«
»Sprich das, Luke. Es ist für mich sehr wichtig.«
Der
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