Der Lange Weg Des Lukas B.
versprachen in Liebenberg zu bleiben. Der Zimmerpolier Zattric war zu guter Letzt auch noch abgesprungen. Seine Frau sagte: »Hast du je gehört, Friedrich Bienmann, dass einer, der die Luft der Neuen Welt geschnuppert hat, hierher zurückkehrt?«
»Was sagst du selbst dazu?«, schrie der alte Mann und starrte den Polier an. Der zuckte die Achseln und blickte in die Stubenecke. Der alte Mann ärgerte sich, denn Peter Zattric war auf dem Bau nicht leicht zu ersetzen.
»Sollst sehen«, sagte die Großmutter später, »er wartet nur darauf, dass du fortgehst. Er wird dann ein eigenes Zimmergeschäft aufmachen.«
Schließlich sagten zwölf Männer fest zu. Sieben davon waren ledige, jüngere Burschen, darunter Franek Priskoweit, der dicke Grumbach, Gustav Bandilla und Wilhelm Slawik, die nur auf eine Gelegenheit gewartet hatten den Sandstaub des Dorfes von den Füßen zu schütteln. Aber auch Lenski, Hugo Labus und Gerhard Warich waren bei ihrem Wort geblieben. Der alte Döblin hatte sich lange nicht festlegen wollen. Dann war ihm am Neujahrstag die Frau gestorben. Wenige Tage später entschloss er sich und sagte: »Ich ziehe mit, Friedrich Bienmann, wenn du mich willst.«
»Du bist im 70. Jahr, Döblin. Aber ich kenne keinen Zimmermann, der ein zuverlässigeres Augenmaß hat und mit der Axt so genau zuschlagen kann wie du. Wenn du die 45 Taler aufbringen kannst, dann komm mit.«
»Ich werde mein Haus verkaufen. Ist doch zu groß für mich allein. Und ich habe auch niemand, der es übernehmen will. Wenn ich mit dir in zwei Jahren zurückkomme, dann baue ich mir eine kleine Hütte. Das reicht für einen alten Mann.«
»Du wirst der Reichste unter uns sein, Döblin, wenn du dein Haus verkaufst. Vielleicht kannst du dem Schicks Andreas das Geld für die Passage vorstrecken. Er ist erst 16 Jahre alt und seine Eltern bringen das Geld nicht zusammen.«
»Werd’s mir überlegen«, antwortete Döblin.
»Wir brauchen dann nur noch einen, damit wir die 16 Plätze im Steerage voll belegen. Wäre schade, wenn wir eine Überfahrt nicht nützen können. Bezahlen müssen wir sie so und so.«
Der alte Mann hatte mit jedem aus der Kolonne ausführlich besprochen, welche Werkzeuge mitzunehmen seien. Er hatte Zeichnungen von Holzkisten für das Werkzeug gemacht. Jeder hatte nach seinem Plan die Kisten anzufertigen. Mit einem festen Deckel waren sie zu verschließen. Bevor jedoch die Kisten zugenagelt werden durften, prüften Lenski und er jede Schneide auf Scharten, jeden Eschenholzstiel suchten sie auf Sprünge ab, jede Säge musste geschärft und geschränkt, jeder Bohrer gespitzt sein.
»Wer weiß, ob es drüben gutes Werkzeug gibt. Wir dürfen dort keine Zeit vergeuden mit Dingen, die wir schon hier erledigen können«, sagte der alte Mann und er ließ nicht nach zu prüfen und zu mahnen, bis endlich die letzte Kiste, verschlossen und mit ledernen Tragschlaufen versehen, für den Abtransport bereitstand.
Die Frauen hatten mit dem Trockenobst in diesem Winter geknausert. Sie sparten es auf und nähten es in kleine Leinenbeutel ein, damit ihre Männer auf dem Schiff etwas zu beißen hatten. Auch scharf geräuchertes Fleisch und zwiegebackene Brotstücke, in Würfel geschnitten, dazu grobes Mehl in kleinen Säckchen und Schmalz in irdenen Töpfen gehörten zu dem, was als Reiseproviant vorbereitet wurde.
Gemurrt hatten einige Männer, als ihnen zugemutet wurde, sie sollten zwei Abende in der Woche die Schulbank drücken, der sie doch längst entwachsen waren. Der alte Pfarrer war in jüngeren Jahren zur See gefahren und glaubte, er könne genug Englisch, um es den Amerikafahrern beizubringen. Der alte Mann hatte sogar dem Gustav Krohl und dem Arbeiter Pilar gedroht, er werde sie nicht mitnehmen, wenn sie nicht die fremde Sprache lernen wollten. Der Lehrer und einige junge Mädchen baten den Pfarrer, bei dieser Schule der Erwachsenen mitmachen zu dürfen. Mathilde zeigte eine besondere Gabe die fremde Sprache zu lernen.
»Wie schade, dass du kein Junge bist, Mathilde«, bedauerte der Pfarrer. »Ich hätte dir das Lateinische beigebracht, die Königin der Sprachen, und du hättest wie ich Pfarrer werden können.«
»Wer weiß, wem das lieb ist, dass ich ein Mädchen bin«, lachte Mathilde und blinzelte dem Lehrer zu.
Es war ein kurioses Englisch, an das der alte Pfarrer sich erinnerte und das er weitergab. Er hatte zu seiner Zeit auf dem Schiff in englischer Sprache predigen müssen. Aus der Bibel, vor allem aus dem Alten
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