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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Schule. Der Pfarrer hatte für jeden eine Art Abschlussprüfung mit je fünf Fragen vorbereitet. Es gab heiße Köpfe. Als Grumbach auf die Frage »Was dachte sich Jonas im Bauch des Walfisches?« nur dumm schaute und schließlich in leidlichem Englisch antwortete: »I do not know what Jonas thought. I think that he thought: By the devil, it is very dark in the fish«, schüttelte der Pfarrer missbilligend den Kopf und seine Miene wurde auch nicht freundlicher, als Andreas Schicks stockend von sich gab, dass er an Adams Stelle die Eva verprügelt hätte statt in den verbotenen Apfel zu beißen. Wütend wurde er und er stieß einen kräftigen englischen Seemannsfluch aus, als Gustav Bandilla sich nicht davon abbringen ließ zu behaupten, dass bei der Hochzeit zu Kana so viel Wein da gewesen sei, dass alle stockbesoffen gewesen sein mussten.
    Mathilde vermochte ihn schließlich zu versöhnen, als sie die lange Josefsgeschichte in großen Zügen fehlerfrei wiedergab.
    »Dank sei Gott, halleluja«, klang es froh und erleichtert und Grumbach begnügte sich nicht damit und fügte noch zweimal laut und aus vollem Herzen hinzu: »Halleluja, halleluja.«
    Der Pfarrer lud den Lehrer und die drei Bienmanns später zu sich in sein Pfarrhaus ein. Er holte eine Flasche Wein aus dem Keller und seine Haushälterin stellte hochstielige Gläser auf den Tisch.
    Unvermittelt fragte der Pfarrer: »Kennen Sie Carl Schurz, Herr Lehrer?«
    »Ich habe von ihm gehört«, antwortete der Lehrer vorsichtig.
    »Carl Schurz ist 1852 auf abenteuerlichem Weg nach Amerika geflohen. Im Krieg war er drüben General und soll jetzt ein Berater des Präsidenten der Vereinigten Staaten sein«, fügte der Pfarrer hinzu und schaute den Lehrer aufmerksam an.
    »Er ist verfolgt worden, weil er ein Demokrat war«, sagte der Lehrer.
    »So ist es«, bestätigte der Pfarrer. »Ich bringe die Rede auf ihn, weil ich nicht weiß, Piet van Heiden, wie lange Sie hier noch sicher sind. Ich habe einen Wink aus der Umgebung des Bischofs bekommen, dass sie einen Lehrer aus dem Rheinischen aufs Korn genommen haben. In Danzig soll er in diesem Winter an einer Verschwörung teilgenommen haben.«
    Der Lehrer sprang auf. »Ist das eine Verschwörung«, rief er, »wenn meine Freunde und ich mit einem Abgeordneten des Landtags überlegt haben, wie wir das Gesetz zu Fall bringen, das den Arbeitern verbietet sich zusammenzuschließen?«
    »So jedenfalls liest sich das in Berlin: Aufrührer seien das, die den Arbeitern wirre Ideen in die Köpfe pflanzen.«
    »Ich spüre es«, sagte der Lehrer leise und setzte sich wieder an den Tisch, »bald jagen sie mich wieder. Dabei bin ich schon bis an das andere Ende des Landes geflohen. Wohin soll ich denn gehen?«
    »Wir haben noch einen Platz im Steerage frei«, sagte der alte Mann. »Wenn der Wald erst brennt, dann heißt es laufen.«
    »Allein bleibe ich hier nicht zurück«, sagte Mathilde bestimmt. »Wenn der Piet nach drüben geht, dann fahre ich mit.«
    »Wir haben nur einen einzigen Platz frei«, wies der alte Mann sie zurecht.
    »Ich werde trotzdem mitfahren.«
    Der Pfarrer schmunzelte und sagte: »So also steht es um euch. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen.«
    »Weiß der Kuckuck, was mit meinen Töchtern los ist«, schimpfte der alte Mann, aber an seinen Lachfältchen um die Augen war zu erkennen, dass es mit seinem Schimpfen nicht ernst gemeint war. »Die eine heiratet einen Zöllner und geht in den Westen. Die andere vergafft sich in einen Lehrer, dem die Fußsohlen jucken. Als ob es in ganz Ostpreußen keinen anständigen Zimmermann gäbe, der im heiratsfähigen Alter ist.«
    »Hast ja noch Anna und Katinka, Großvater«, warf der Junge ein.
    »Vielleicht nimmt der Kapitän mich als Köchin«, sagte Mathilde halb im Spaß.
    »Smutje heißt der Koch an Bord, Mathilde. Und angeheuert werden niemals Frauen«, belehrte sie der Pfarrer. »Du siehst, was du alles verpasst hast, als du ein Mädchen geworden bist. Pfarrer kannst du nicht werden und Smutje auch nicht.«
    In den nächsten Tagen stimmte der alte Mann zu, dass Mathilde wenigstens mit nach Danzig fahren durfte. Sie wollte versuchen einen Platz auf der Bark zu bekommen. Wenn nicht, dann war es immer noch möglich, mit einem der Gespanne nach Liebenberg zurückzufahren.
    Am Tag vor dem Abschied aus Liebenberg kamen zwei berittene Gendarmen und fragten den Pfarrer nach dem Lehrer Piet van Heiden. Der erschrak, aber er brauchte nicht lange nach einer Antwort zu

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