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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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grausam wie zuvor seine Fäuste. Durch einen sonderbaren Nebel betrachtete sie sein verzerrtes Gesicht – und sie glaubte, auch Joe zu sehen, den Professor, ihre Mutter. Alle sprachen mit ihr ... Wehmütig beteuerte Joe, er würde sie lieben, aber er könnte ihr nicht helfen ... Theodore flehte sie an, Steve endlich abzuwehren ... Und die Mutter verkündete, an allem sei Gabriella schuld, und sie würde nur bekommen, was sie verdient habe. Während sie all den Stimmen lauschte, erkannte sie plötzlich die Wahrheit. Nicht bei ihr lag die Schuld, sondern bei den anderen. Steve war der Schurke – Steve hatte den Professor getötet und würde auch sie ermorden. Von einer fast übermenschlichen Kraft erfüllt, die sie sich niemals zugetraut hätte, erhob sie sich schwankend. Blut rann über ihre Wangen, ihr Gesicht war völlig zerschlagen. So, wie sie jetzt aussah, konnte er sie weder zur Bank noch aufs Polizeirevier bringen. Für ihn gab es nur mehr einen einzigen Ausweg – wegzulaufen, ohne das Geld.
    Wilder Zorn übermannte ihn, und er stürzte sich erneut auf Gabriella, um den letzten Atem aus ihr herauszupressen. Er schüttelte sie gnadenlos – bis sich das Zimmer vor ihren Augen drehte. Aber jetzt wehrte sie sich, klammerte sich an ihn, zerkratzte sein Gesicht. Nein, sie ließ sich nicht mehr willenlos misshandeln. Niemand würde sich je wieder an ihr vergreifen. Während er sie zu erdrosseln suchte, hielt sie sich mit aller Kraft am Leben fest. Schließlich ließ er sie zu Boden fallen, versetzte ihr einen letzten Fußtritt und hetzte davon.
    Ob sie den Kampf gewonnen oder verloren hatte, wusste sie nicht. Es war auch gar nicht wichtig. Sie alle hatten versucht, sie zu töten – jeder auf seine Weise – Joe – ihre Mutter – Steve – ihr Vater ... Keinem war es gelungen. So eifrig hatten sie sich bemüht, in ihr Innerstes einzudringen und ihre Seele auszulöschen wie eine kleine Flamme. Doch dieses Licht war stets außerhalb ihrer Reichweite geblieben. Deshalb hassten sie Gabriella. Langsam drehte sie sich auf den Rücken und starrte die Zimmerdecke an, die Augen voller Blut und Schmerzen. Da oben stand Joe, schaute zu ihr herab und versicherte, das alles würde er bedauern. Als er ihr diesmal eine Hand entgegenstreckte und sie zu sich winkte, wandte sie sich ab und ging allein ins Dunkel.

23
    Als Mrs Rosenstein etwas später am Zimmer des Professors vorbeiging, sah sie Gabriella am Boden liegen – blutüberströmt, das Gesicht fast unkenntlich, seltsam verkrümmt. Zunächst hielt die alte Jüdin das Mädchen für tot, denn es schien nicht zu atmen. Ihr gellender Schrei rief alle Hausbewohner zusammen.
    Sobald der Anwalt das herausgerissene Telefonkabel entdeckte, eilte er in sein Zimmer zurück und verständigte den Rettungsdienst.
    Angstvoll warteten sie auf die Ambulanz. Ein Mieter, der noch nicht lange in der Pension wohnte, hatte der bewusstlosen jungen Frau den Puls gefühlt und versichert, sie würde noch leben. Wie schwer sie verletzt war, konnte er nicht feststellen. Der Angreifer hatte sie anscheinend mehrmals auf den Kopf geschlagen. Womöglich würde sie einen bleibenden Gehirnschaden davontragen, flüsterte eine der Frauen. So jung und so schön – einfach grauenhaft ... Wer mochte sie überfallen haben? Mrs Boslicki schluchzte herzzerreißend. Eine Zeit lang fragte sie sich, ob Steve Porter die arme Gabbie zusammengeschlagen und dann die Flucht ergriffen hatte. Aber dann schaute sie in seinem Zimmer nach. Alle Sachen waren noch da.
    Wie Trauergäste standen sie um die reglose Gestalt herum, bis die Sanitäter ins Haus stürmten. Nach einer kurzen Untersuchung wurde sie blitzschnell auf eine Trage gelegt und in den Krankenwagen gebracht, der mit heulender Sirene davonraste.
    Stundenlang bemühte sich ein Ärzteteam um Gabriella, richtete den gebrochenen Arm und nähte die zahlreichen Platzwunden. Mehrere Rippen waren angeknackst. Aber die Kopfverletzungen bereiteten den Ärzten die größte Sorge. Sie nahmen einige Elektroenzephalogramme vor. Eine endgültige Diagnose würden sie erst stellen können, wenn die Schwellungen im Gehirn zurückgingen.
    Schließlich erschien ein plastischer Chirurg und behandelte das Gesicht der Patientin. Am Kinn und über der linken Braue klafften lange Wunden. Bestürzt musterte er die Würgemale am Hals, dann sprach er mit Dr. Peter Mason, dem Leiter der Abteilung. »Da hat irgendjemand ganze Arbeit geleistet«, meinte er, während er seine Notizen ins

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