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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Zustand befand. Nur eine Hüfte war geprellt. Kategorisch verlangte sie, sofort aus der Klinik entlassen zu werden. Am nächsten Morgen hatte sie einen Termin bei ihrem Friseur. Lächelnd schüttelte Peter den Kopf, und sie starrte ihn entrüstet an. Wäre ein Gehstock verfügbar gewesen, hätte sie ihm zweifellos damit gedroht. Er versprach ihr, sie dürfe nach Hause zurückkehren, sobald es möglich sei. Aber am nächsten Tag müsse ihre Hüfte geröntgt werden.
    Da er einigen Papierkram zu erledigen hatte, wurde es Mitternacht, ehe er wieder Zeit für Gabriella fand. »Wie geht's unserem Dornröschen?«, fragte er die Dienst habende Schwester.
    Resigniert zuckte sie die Achseln. Die Patientin zeigte keine Reaktion. Vielleicht hatte Peter am Nachmittag nur einen Reflex gespürt. Oder sie war so brutal zusammengeschlagen worden, dass sie nichts mehr mit der Welt zu tun haben wollte. Jedenfalls hatte sie sich an einen fernen Ort zurückgezogen, wo man sie nicht erreichen konnte.
    Nachdem die Schwester den Raum verlassen hatte, setzte sich Peter neben das Bett und legte wieder seinen Finger in Gabriellas Hand. Nichts geschah, und sie erweckte den Eindruck, sie wäre sogar noch tiefer ins Koma gesunken. Gerade wollte er seine Bemühungen aufgeben, als der Arm in seine Richtung zuckte. Dann streckte sie zwei Finger nach ihm aus. Die Augen blieben geschlossen. »Reden Sie mit mir?«, fragte er sanft. »Möchten Sie mir etwas sagen?« Irgendwie musste er herausfinden, ob sie denken und sprechen konnte. Ein Laut oder ein Blick würden ihm genügen. »Singen Sie mir was vor? Irgendein kleines Lied?«
    Peter hatte eine ganz besondere Art, mit Schwerkranken umzugehen. Deshalb liebten ihn die Patienten ebenso wie die Schwestern. Seine bemerkenswerte Fähigkeit, Todgeweihte ins Leben zurückzuholen, hatte ihm den Respekt aller Kollegen eingetragen.
    »Kommen Sie schon, Gabriella! Wie wär's mit dem ‘Star-Spangled Banner’? Oder vielleicht ‘Twinkle, Twinkle’?« Mit leiser Stimme sang er ihr das Kinderlied vor, ziemlich falsch, und eine Schwester, die gerade vorbeiging, lächelte belustigt. »Oder lieber ‘ABC’? Das ist die gleiche Melodie ...« Und während er weiterschwatzte, hörte er plötzlich ein schwaches Stöhnen – einen Laut, der nicht menschlich klang. »War das ‘Twinkle, Twinkle’ oder ‘ABC’? Die Melodie habe ich erkannt. Aber ich verstehe den Text nicht.«
    Diesmal stöhnte sie etwas lauter. Und da wusste er, dass sie in die Welt zurückkehrte. Das war kein Reflex. Dann flatterten die Wimpern. Offensichtlich versuchte sie die Augen zu öffnen. Mit seinen Fingerspitzen half er ihr. Ganz vorsichtig zog er die wunden Lider nach oben.
    Verschwommen sah sie die Umrisse seiner Gestalt – aber nicht die Tränen in Peters Augen.
Geschafft!
Mit reiner Willenskraft war es ihm gelungen, Gabriella aus dem Schattenreich des Todes zurückzurufen. Vielleicht würde sie am Leben bleiben.
    »Hallo, Gabriella! Willkommen in unserer Welt. Wir haben Sie schon vermisst.« Jetzt stöhnte sie wieder. Allem Anschein nach versuchte sie zu sprechen. Aber ihre Lippen waren noch viel zu stark geschwollen. So viele Fragen wollte er ihr stellen. Wieso befand sie sich in diesem schrecklichen Zustand? Wer hatte ihr das angetan? Doch es war noch zu früh. »Wie fühlen Sie sich? Oder ist das eine dumme Frage?«
    Da nickte sie und schloss wieder die Augen. Es tat so weh, den Kopf zu bewegen. Nach einer Weile hoben sich ihre Lider wieder.
    »Natürlich, Sie haben Schmerzen.« Er könnte ihr ein Medikament verabreichen. Aber nachdem sie eben erst aus dem Koma erwacht war, wollte er sie nicht betäuben. »Würden Sie mir was erzählen? Was anderes als ‘Twinkle, Twinkle’?«
    Mühsam versuchte sie zu lächeln. »Schmerzen ...«, würgte sie fast unhörbar hervor.
    »Kein Wunder ...« Was tat ihr weh? Es gab so viele Möglichkeiten. »Ihr Kopf?«
    »Ja ...«, wisperte sie. Jetzt klang ihre Stimme nicht mehr so heiser. »Der Arm ... Das Gesicht ...« An ihrem Körper befand sich kaum eine Stelle, die unverletzt geblieben war.
    Irgendwie musste er sie veranlassen, Fragen zu beantworten. Am nächsten Morgen würde die Polizei in die Klinik zurückkehren. Seit Jahren hatten die Beamten kein so übel zugerichtetes Opfer gesehen, und sie wollten den Täter unbedingt hinter Schloss und Riegel bringen.
    »Wissen Sie, wer Ihnen das angetan hat?«, fragte er vorsichtig. Schweigend schloss sie die Augen. »Sagen Sie's mir, wenn Sie sich dran

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