Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
auf.
Als sie sah, was geschehen war, rief sie entsetzt: »Nein, Mommy, nein! Nicht Meredith! Bitte, Mommy ...« Schluchzend betrachtete sie die demolierte Puppe, die sie jahrelang geliebt hatte, ihre einzige Freundin, ihr einziger Trost.
Immer noch von blindem Zorn erfüllt, wandte sich Eloise zu ihrer Tochter und begann sie zu schlagen. »Das ist doch nur eine idiotische Puppe! Und du bist ein ekelhaftes kleines Biest! Heute Abend hast du Marianne hier heraufgelockt, nicht wahr? Was hast du ihr erzählt? Hast du dich beklagt? Hoffentlich hast du ihr gestanden, du würdest die Prügel verdienen, die du jeden Tag einsteckst – und dass Daddy und ich dich hassen, weil du so ein heimtückisches kleines Balg bist! Hast du's ihr gesagt?«
Aber Gabriella konnte nicht antworten. Wimmernd krümmte sie sich zusammen. Erst drosch die Mutter mit der zerbrochenen Puppe auf sie ein, dann mit beiden Fäusten, traf die Schultern und die Rippen, zerrte an den blonden Locken und zerkratzte die Wangen, so dass das Kind kaum noch zu atmen vermochte. Der ganze Hass, der ihrer Tochter und ihrem Mann galt, entlud sich in brutaler Gewalt. Nachdem John mit der Engländerin geflirtet hatte, fühlte sich Eloise zutiefst gedemütigt. Ihren Frust ließ sie an der Schwächsten, an Gabriella aus, die sich nicht entsann, was sie verbrochen hatte. Nur eins stand fest – weil sie sich immer so schlecht benahm, verdiente sie die Strafe.
Als Eloise das Zimmer verließ, war ihre Tochter halb bewusstlos. Blut befleckte das Bett. Jedes Mal, wenn Gabriella zu atmen versuchte, schien sich ein Messer in ihre Brust zu bohren. Die Schläge hatten ihr zwei Rippen gebrochen. Doch das konnte sie nicht wissen. Sie spürte nur, dass sie kaum Luft bekam und sich nicht zu rühren vermochte. Und sie musste dringend auf die Toilette. Wenn sie ins Bett machte, würde Mommy sie umbringen. Ganz bestimmt. Merediths Überreste waren verschwunden. Die hatte die Mutter in den Abfallkorb geworfen, bevor sie hinausgegangen war – erschöpft und halbwegs befriedigt.
Ihr Zorn gegen John war verflogen, während sie der wilden Bestie in ihrer Seele neue Nahrung gegeben hatte. In wildem Wahn hatte dieses Ungeheuer das Kind verschlungen, zerbissen und ausgespuckt, was übrig geblieben war.
An Gabriellas Kopf klebte blutverschmiertes Haar, und in wenigen Stunden würden die dunklen Flecken und Kratzspuren auf ihrer Haut alles übertreffen, was sie je zuvor erlitten hatte. Todesangst krampfte Gabriellas Herz zusammen, denn die Qualen dieser Nacht würden nicht die letzten sein.
Während sie verzweifelt auf ihrem Bett lag, konnte sie nicht einmal mehr schluchzen – das tat ihr zu weh. Stattdessen zitterte sie heftig und fröstelte. Die Lippen waren geschwollen, ihr Kopf und alle Knochen schmerzten. Was ihr jedoch am schlimmsten erschien – sie konnte kaum Luft holen. Vielleicht würde sie noch vor dem nächsten Morgen sterben – darauf hoffte sie sogar. Jetzt gab es nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Meredith war tot. Und eines Tages würde ihr das gleiche Schicksal drohen wie der geliebten Puppe, denn Mommy würde den letzten Atemzug aus ihr herausprügeln – es war nur eine Frage der Zeit.
Zu erschöpft, um sich auszuziehen, schlief Eloise in ihrem Abendkleid. Gabriella lag unterdessen in ihrem Blut und wartete auf die Ankunft des Todesengels. Erfolglos versuchte sie, sich an die wunderbare Begegnung mit Marianne zu erinnern. Doch sie konnte an nichts mehr denken – der Schmerz war zu stark, der Hass gegen die Mutter zu tief.
Allmählich verdrängte dieser Hass alles andere, sogar die stechenden Schmerzen. Während sie ihre bitteren Gefühle schürte, lag ihr Vater in den Armen einer hübschen italienischen Prostituierten an der Lower East Side. Wo er sich aufhielt, wussten weder Gabriella noch Eloise, und es interessierte sie auch nicht. Seine Frau wünschte ihn zur Hölle. Und seine Tochter hatte längst erkannt, dass er sie niemals retten würde. Jetzt war sie ganz allein, ohne Freunde, ohne ihre Puppe. Auf dieser Welt hatte sie nichts und niemanden.
Völlig unfähig, sich zu bewegen, machte sie schließlich doch noch ins Bett. Wenn die Mutter das am Morgen herausfand, würde sie ihr den letzten tödlichen Schlag versetzen. Danach sehnte sich Gabriella sogar. Vielleicht würde der Tod nicht wehtun. Mit dieser Hoffnung versank sie in einer barmherzigen Ohnmacht.
3
Leise schloss sich die Tür des Hauses in der Sixty-ninth Street, um acht Uhr, am Morgen
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