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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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standen, ging er lächelnd zu ihnen. »Guten Abend«, grüßte er und blieb stehen. »Was für eine schöne Kirche Sie haben!« Bewundernd schaute er sich um, und die Lehrerin der Postulantinnen strahlte vor Stolz. Gabriella musste sich sehr beherrschen, um ihn nicht anzustarren. Aus der Nähe betrachtet, erschien er noch attraktiver, und er erinnerte sie vage an ihren Vater. So hatte er kurz nach seiner Rückkehr aus Korea ausgesehen.
    »Sind Sie zum ersten Mal hier, Vater?«, fragte die Lehrerin.
    »Zum zweiten Mal. Ich springe für Vater O'Brian ein. Während der nächsten sechs Monate wird er einen akademischen Urlaub in Rom nehmen, den Vatikan besuchen und an einem Projekt für den Erzbischof arbeiten. Ich bin Vater Connors – Joe Connors.«
    »Wie wundervoll!« Vater O'Brians Reise nach Rom schien die ältere Schwester tief zu beeindrucken.
    Den Kopf gesenkt, spürte Gabriella den prüfenden Blick des jungen Priesters. »Sind Sie eine Postulantin?«, erkundigte er sich, und sie nickte nur, weil sie fürchtete, nach der langen, ungewöhnlichen Beichte könnte er ihre Stimme wiedererkennen. Verstohlen warf sie ihm einen Blick zu. Wie mochte er nach jenem Boxkampf ausgesehen haben – mit einem blauen Auge?
    »Das ist Schwester Bernadette«, verkündete die Nonne, die Gabriella von Anfang an geliebt hatte. Jetzt war sie ihre beste Schülerin, und die Lehrerin hatte den Entschluss des Mädchens, dem Orden beizutreten, freudig begrüßt. »Seit ihrer Kindheit lebt sie bei uns – und wir sind alle sehr glücklich über ihren Entschluss, den Schleier zu nehmen.«
    Als der Priester Gabriellas Hand schüttelte, lag eine stumme Frage in seinen Augen. »Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Schwester Bernadette.«
    Ihre innere Anspannung ließ nach, und sie erwiderte sein freundliches Lächeln. »Danke, Vater. Hoffentlich haben wir Sie heute Abend nicht zu lange aufgehalten.« Sie merkte ihm an, dass er ihre Stimme sofort erkannt hatte. Aber dazu gab er keinen Kommentar ab. Es wäre ja auch unpassend gewesen, wenn er gerufen hätte:
Ah, Sie sind also die Postulantin, die Schwester Anne hasst!
Bei diesem Gedanken presste sie die Lippen zusammen, um ihren Lachreiz zu bekämpfen.
    »Im Beichtstuhl neige ich nun mal zu langwierigen Diskussionen«, gestand er mit einem Grinsen, das unter anderen Umständen die Herzen aller Frauen hätte schmelzen lassen. Sie schätzte ihn auf dreißig, obwohl sie solche Dinge nur schwer beurteilen konnte, nachdem sie seit so vielen Jahren ein abgeschiedenes Leben führte. »Und zu kurzen Bußgebeten«, ergänzte er und zwinkerte ihr zu. Brennend stieg ihr das Blut in die Wangen. Natürlich, er wusste ganz genau, wer sie war.
    »Das höre ich gern. Es ist so peinlich, wenn man stundenlang auf den Knien liegt und alle Nonnen erraten können, wie viele Sünden man begangen hat. Kurze Bußgebete sind viel angenehmer.«
    »Gut, ich will's mir merken. Am Wochenende komme ich wieder. Bis dahin wenden Sie sich bitte an Vater George. Ich muss nach Boston fahren, zu einer Audienz beim Erzbischof.«
    »Gute Reise, Vater«, sagte die Lehrerin, und er dankte ihr mit einem höflichen Lächeln. Dann verabschiedete er sich. »So ein netter junger Mann«, meinte die Nonne, als sie mit Gabriella die Kirche verließ. »Ich wusste gar nicht, dass Vater O'Brian nach Rom gefahren ist. Aber solche Dinge erfahre ich nie, weil ihr Mädchen mich ständig auf Trab haltet.«
    Sie wünschten sich eine gute Nacht, und Gabriella ging zu ihrem Zimmer. Inständig hoffte sie, Schwester Anne würde ihr nicht irgendwo auflauern und wegen der Geständnisse im Beichtstuhl Vorwürfe machen. Aber das Mädchen ließ sich nirgends blicken.
    Während Gabriella die Treppe hinaufstieg, dachte sie wieder an den jungen Priester. Was für ein attraktiver, intelligenter, teilnahmsvoller Mann ... Seit der Beichte fand sie ihre Feindschaft mit Schwester Anne nicht mehr so schlimm. Und jetzt erschien sie ihr sogar unwichtig. Zum ersten Mal seit Wochen ging sie frohen Herzens schlafen, in dem Zimmer, das sie mit zwei anderen Postulantinnen teilte. Glücklicherweise gehörte Schwester Anne nicht dazu. In dieser Nacht wurde sie kein einziges Mal von den Albträumen heimgesucht, die sie in der letzten Zeit noch öfter gepeinigt hatten, weil Anne sie so lebhaft an ihre Mutter erinnerte.
    »Gute Nacht, Schwester Bernie!«, rief eine der Postulantinnen ins Dunkel.
    »Gute Nacht, Schwester Tommy, Schwester Agatha ...« In der Gesellschaft der

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