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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Was sie verbrochen hatte und wie sie bestraft wurde, wussten sie nicht. Während des Essens hatten sie mit den Mitschülerinnen getuschelt. Seltsamerweise war nur Schwester Anne stumm geblieben.
    In dieser Nacht tat Gabriella kein Auge zu. Unentwegt dachte sie an Joe und versuchte sich vorzustellen, was sich in der St. Stephen's School ereignete. Vielleicht wurde er im Stil einer spanischen Inquisition verhört ... Um zwei Uhr morgens verstärkten sich die Schmerzen. Beinahe hätte sie um Hilfe gerufen. Aber sie beherrschte sich. Was sollte sie den Mädchen erklären? Dass sie fürchtete, ihr Baby zu verlieren? Stattdessen schleppte sie sich ins Bad und entdeckte Symptome, die auf ein ernstes Problem hinwiesen. Doch es gab niemanden, an den sie sich wenden konnte. Nicht einmal Mutter Gregoria würde ihr beistehen.
    Und Joe war unerreichbar. Sie musste warten, bis sie von ihm hörte. Sicher würde er sie aus dem Kloster holen. Am nächsten Morgen würde die Situation eskalieren. Falls er dem Erzbischof und dem Monsignore mitgeteilt hatte, er würde der Priesterschaft abschwören, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er zu ihr kam. Dann würde sie der Oberin alles erzählen – oder wenigstens so viel, wie sie wissen musste. Jedenfalls wollte sie das St. Matthew's nicht mit einer langen Kette aus Lügen verlassen, die hinter ihr wie Blechdosen klirren würden.
    Aber am Morgen war sie fast bewusstlos vor Angst und Schmerzen. Wann sie nach Oklahoma geschickt werden sollte, wusste sie nicht genau. Nur eins stand fest – sie würde nicht abreisen. Man konnte sie doch wohl kaum gewaltsam in einen Zug setzen.
    Sie hörte die anderen Mädchen aufstehen und wartete, bis sie das Zimmer verließen. Dann stieg sie aus dem Bett, sah das Blut auf dem Laken und wusste nicht, was sie tun sollte. Schließlich legte sie sich wieder hin und weinte lautlos. Im ersten Tageslicht drang leiser Gesang aus der Kirche zu ihr. Etwas später öffnete sich die Tür, und Schwester Emanuel trat ein. Besorgt neigte sie sich zu ihrer Schülerin herab, und Gabriella glaubte, Tränen in den Augen der alten Nonne zu sehen.
    »Mutter Gregoria will dich sprechen, Gabbie.«
    Für sie alle war das ein trauriger Tag – vor allem für dieses Mädchen, das die Nonnen so schmählich hintergangen hatte.
    »Ich fahre nicht nach Oklahoma«, erklärte Gabriella mit gepresster Stimme und wusste nicht einmal, ob sie sich überhaupt erheben konnte. Die Unterleibsschmerzen quälten sie nach wie vor.
    »Jedenfalls musst du hinuntergehen und mit ihr reden.«
    Weil sie fürchtete, sie würde zusammenbrechen, stand sie erst auf, nachdem Schwester Emanuel das Zimmer verlassen hatte. Mühsam kleidete sie sich an, was ihr sogar noch schwerer fiel als in der Kindheit, wenn ihr von den Schlägen ihrer Mutter alle Knochen wehgetan hatten.
    Sie schaffte es nur mühsam, die Treppe hinabzusteigen. Als sie das Büro erreichte, konnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten und verlor beinahe die Besinnung. Aber sie straffte die Schultern und zwang sich, den Raum zu betreten. Verwirrt sah sie zwei Priester neben Mutter Gregoria stehen. Schon vor einer Stunde waren sie eingetroffen, um mit der Oberin zu erörtern, was sie Gabriella erklären würden.
    Bestürzt sah die Nonne das leichenblasse Gesicht der jungen Frau und musste sich sehr beherrschen, um sie nicht zu umarmen. »Vater O'Brian und Vater Dimeola möchten mit dir sprechen, Schwester Bernadette.« Mit diesem Namen sprach sie Gabriella an, um eine unpersönliche Atmosphäre zu erzeugen und die schmerzliche Situation etwas erträglicher zu machen. Aber ihr Herz flog dem Kind entgegen, das sie jahrelang gekannt und geliebt hatte.
    »Später wird Mutter Gregoria über Ihr Schicksal entscheiden, Schwester«, begann Vater O'Brian. Krampfhaft rang Gabriella nach Luft, und die Wände des Raums schienen immer näher zu rücken. Die beiden Priester merkten, wie elend sie sich fühlte. Doch sie fanden, sie würde verdienen, was sie jetzt erlitt. »Wir wollen mit Ihnen über Vater Connors reden.«
    Also hat er's ihnen gesagt, dachte sie erleichtert. Blicklos starrte sie den Geistlichen an. Vor lauter Schmerzen hörte sie kaum, was Vater Dimeola hinzufügte.
    »Er hat einen Brief für Sie hinterlassen. Darin erläutert er, wie er die Situation betrachtet, in die er von Ihnen gelockt wurde.«
    »Das – das hat er behauptet?«, fragte sie ungläubig. Niemals würde Joe sie so niederträchtig verleumden. Allem Anschein nach stammte

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