Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
neue Bettdecke, Bilder an der Wand und frische Blumen würden Wunder wirken.
Seufzend packte sie den kleinen Koffer aus und hängte ihr zweites Kleid in den Schrank. Nur zögernd ergriff sie das Tagebuch, das sie für Joe geschrieben und das er nie gelesen hatte. Sie setzte sich aufs Bett und öffnete den schmalen Band, der ausführliche Schilderungen ihrer Zusammenkünfte mit Joe enthielt. In überschwänglichen Worten hatte sie die erregenden Gefühle der ersten Liebe beschrieben, die Angst während der heimlichen Begegnungen, die Leidenschaft, die sie im Apartment genossen hatten. Gegen Ende handelten die Aufzeichnungen von der erhofften gemeinsamen Zukunft, von der Freude auf das Baby.
Während sie die letzten Eintragungen las, fiel neben ihr ein Brief aufs Bett, den sie nie gesehen hatte. Auf dem Kuvert stand
Schwester Bernadette,
in einer Handschrift, die sie nicht kannte. Vermutlich stammte sie von Joe. Mit zitternden Fingern riss sie den Umschlag auf und nahm den Abschiedsbrief heraus, den er ihr vor seinem Tod geschrieben und den Vater O'Brian der Oberin übergeben hatte. Mutter Gregoria musste ihn ins Tagebuch gelegt haben, ohne sie darauf hinzuweisen. Durch einen Tränenschleier begann Gabriella den Brief zu lesen. Seltsam – erst vor wenigen Tagen hatte Joe dieses Papier berührt, die einzige Erinnerung an den Geliebten, die sie besaß. Nur diese Worte auf zwei weißen Blättern.
Gabbie,
begann der Brief. Auf das Kuvert hatte er
Schwester Bernadette
geschrieben, damit es die richtige Adresse erreichte. Deshalb war das Geheimnis ans Licht gekommen! Sonst hätten die Priester und Mutter Gregoria vielleicht nie von der heimlichen Liebschaft erfahren und Gabriella würde immer noch im St. Matthew's leben. Doch das alles gehörte nun der Vergangenheit an, es gab kein Zurück.
Keine Ahnung, wie ich anfangen und was ich dir sagen soll ..., las sie. Du bist ein besserer Mensch als ich und viel stärker. Mein Leben lang wusste ich, wie schwach ich bin, wie oft ich versagt und wie viele Menschen ich enttäuscht habe – vor allem meine Eltern, weil ich Jimmys Tod nicht verhindern konnte. Hätte ich ihn gerettet, wäre meine Mutter nach dem Tod meines Vaters vielleicht nicht zum Selbstmord getrieben worden. Dann wäre sie wahrscheinlich am Leben geblieben, in der Hoffnung, ich würde ihr helfen. Doch sie glaubte nicht an mich und wollte lieber sterben, als ohne ihren Mann in die Zukunft zu blicken. Danach kam ich ins St. Mark's. Dort gaben mir die Brüder alles, was ich bis dahin entbehrt hatte, Chancen auf einen neuen Anfang und das Verständnis, das ich brauchte. Unerschütterlich bauten sie auf meine Fähigkeiten und liebten mich, so wie ich dich jetzt liebe, so wie du mich liebst. Für mich war ihre Güte ein wahrer Segen, an den ich mich auch jetzt noch klammere, in meiner dunkelsten Stunde. Ihnen zuliebe beschloss ich, Priester zu werden, weil ich wusste, wie sehr sie sich darüber freuen würden. Mit Leib und Seele begann ich mein Studium am Seminar. Ich dachte, wenn ich zur Abwechslung etwas richtig machte, könnte der Allmächtige mir verzeihen, dass ich Jimmy nicht gerettet und meine Mutter so bitter enttäuscht habe. Eine Zeit lang war ich glücklich, Gabbie. Es gefiel mir, mein Leben der Kirche zu weihen – bis ich dich traf. Da erkannte ich, wie brennend ich mir mein früheres Leben zurückwünschte. Vor unserer Begegnung kannte ich kein echtes Glück, keine wahre Liebe, und ich wusste nicht, wie viel wunderbare Dinge das ganz normale Leben da draußen für uns bereithält. Seit ich dich zum ersten Mal gesehen hatte, stellte ich mir vor, wie es wäre, dich zu lieben und zu heiraten. Ich wollte nur noch bei dir sein, dir alles geben, mich selbst, mein Leben, meine Seele. Aber mein Leben und meine Seele gehörten nicht mehr mir. Alles Erdenkliche versuchte ich, um uns eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen, um dir zu schenken, was du verdienen würdest. Aber ich wusste, ich würde dich nur enttäuschen. Und ich will mein Gelübde nicht brechen. Was ich Gott gegeben habe, darf ich ihm nicht wegnehmen, nur weil ich jemanden gefunden habe, den ich viel mehr liebe als ihn. Das will ich den Brüdern vom St. Mark 's und den anderen Priestern in der St. Stephen's School nicht antun. Mein Leben weihte ich dem Allmächtigen, um wieder gutzumachen, was ich an Jimmy und Mom verbrochen hatte. Wenn ich 's jetzt zurücknehme, würde ich dich enttäuschen, mich selbst und all jene, die an mich glauben. Mein Herz
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