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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Chauffeursmütze zu meinem Overall. Die Chauffeurspose war praktisch, weil ich unter dem Vorwand reisen konnte, das Auto meines Herrn zu fahren.
    Während der ersten Monate, als ich mit Haftbefehl gesucht wurde und die Polizei nach mir fahndete, beschäftigte meine Outlaw-Existenz die Phantasie der Presse. Auf den ersten Seiten erschienen Artikel, in denen behauptet wurde, man habe mich da und dort gesehen. Überall im Land wurden Straßensperren errichtet, doch die Netze der Polizei blieben leer. Man gab mir den Spitznamen »Black Pimpernel«, eine etwas herabsetzende Adaption der von der Baroneß Orczy erfundenen Romangestalt, Scarlet Pimpernel genannt, der während der Französischen Revolution auf waghalsige Weise seiner Gefangenschaft entging.
    Ich reiste heimlich im Land umher; ich war bei Muslims am Kap; bei Zuckerarbeitern in Natal; bei Fabrikarbeitern in Port Elizabeth; ich bewegte mich durch Townships in verschiedenen Teilen des Landes und nahm nachts an geheimen Meetings teil.
    Ich trug sogar zum Mythos des »Black Pimpernel« bei, indem ich von öffentlichen Telefonen aus Zeitungsreporter anrief und ihnen Geschichten über unsere Pläne erzählte oder auch von der Unfähigkeit der Polizei. Unvermutet tauchte ich hier und dort auf, zum Verdruß der Polizei und zur Freude vieler Menschen.
    Es kamen viele wilde, ungenaue Geschichten über meine Erlebnisse im Untergrund auf. Menschen lieben es, waghalsige Taten auszuschmücken. Einige Male entkam ich mit knapper Not, was allerdings niemand wußte. Einmal fuhr ich in die Stadt und hielt vor einer Verkehrsampel. Ich blickte nach links und sah im Auto neben mir Colonel Spengler, den Chef der Witwatersrand Security Branch. Es wäre für ihn ein wahres Fest gewesen, Black Pimpernel zu fangen. Ich trug eine Arbeitermütze, einen blauen Overall und meine Brille. Er blickte kein einziges Mal in meine Richtung, aber auch so schienen, während ich auf das Umspringen der Ampel wartete, Stunden zu vergehen.
    Eines Nachmittags wartete ich in Johannesburg, mit langem Staubmantel und Mütze als Chauffeur verkleidet, an einer Ecke, von der ich abgeholt werden sollte. Plötzlich bemerkte ich, daß sich mir ein afrikanischer Polizist gezielt näherte. Ich drehte den Kopf, um zu sehen, ob ich irgendwohin flüchten konnte, doch bevor es dazu kam, lächelte er mir zu, grüßte mit aufwärts gekehrtem Daumen, dem ANC-Gruß, und war verschwunden. Vorfälle dieser Art geschahen sehr oft, und ich fühlte mich bestärkt, wenn ich sah, daß wir die Loyalität vieler afrikanischer Polizisten besaßen. Da war der schwarze Sergeant, der Winnie Hinweise zu geben pflegte, was die Polizei vorhatte. Er flüsterte ihr beispielsweise zu: »Sorgt dafür, daß Madiba am Mittwochabend nicht in Alexandra ist, denn dort soll eine Razzia stattfinden.« Schwarze Polizisten sind während des Kampfes oft schwer kritisiert worden, aber viele haben heimlich eine Rolle gespielt, die äußerst wertvoll war.
    Wenn ich im Untergrund war, war ich so ungepflegt wie nur möglich. Meine Overalls sahen aus, als hätten sie ein Leben schwerster Arbeit hinter sich. Die Polizei hatte ein Bild mit Bart von mir, das sie überall verteilten, und meine Gefährten bedrängten mich, ihn abzurasieren, doch ich hatte mich so an ihn gewöhnt, daß ich mich standhaft weigerte, mich von ihm zu trennen.
    Nicht nur, daß ich nicht erkannt wurde, zuweilen zeigte man mir sogar die kalte Schulter. Einmal wollte ich an einem Meeting in einer Gegend weit von Johannesburg entfernt teilnehmen, und ein bekannter Geistlicher richtete es so ein, daß ich bei Freunden von ihm übernachten konnte. Eine ältere Dame öffnete die Tür, und bevor ich erklären konnte, wer ich war, rief sie aus: »Nein, einen solchen Mann wie Sie wollen wir hier nicht haben!« und schloß die Tür.
     
     
    MeineZeit im Untergrund widmete ich hauptsächlich der Planung des Stay-at-Home am 29. Mai, das die Form eines potentiellen Krieges zwischen Staat und Befreiungsbewegung annahm. Ende Mai veranstaltete die Regierung landesweit Razzien gegen Oppositionsführer. Zusammenkünfte wurden verboten; Druckpressen wurden beschlagnahmt; und im Parlament wurden Gesetze durchgepeitscht, die es der Polizei gestatteten, Untersuchungshäftlinge zwölf Tage ohne die Möglichkeit einer Kautionsstellung festzuhalten.
    Verwoerd verkündete, jeder, der den Streik unterstütze, sympathisierende Zeitungen eingeschlossen, »spiele mit dem Feuer«, eine ominöse Erklärung angesichts

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