Der lange Weg zur Freiheit
Antworten auf Fragen nach meinem Namen und nach der Wahl meines juristischen Beraters. Schweigend hörte ich mir die Anklagen an: Aufwieglung afrikanischer Arbeiter zum Streik und Verlassen des Landes ohne gültige Reisedokumente. Im Südafrika der Apartheid konnten die Strafen für diese »Verbrechen« bis zu zehn Jahren Gefängnis betragen. Dennoch empfand ich die Anklagen wie eine Erleichterung: Offensichtlich verfügte der Staat nicht über genügend Beweise, um mich mit Umkhonto We Sizwe in Verbindung zu bringen, denn sonst hätte man mich der weitaus schwereren Verbrechen des Hochverrats oder der Sabotage bezichtigt.
Erst als ich den Gerichtssaal verließ, sah ich Winnie auf der Zuschauergalerie. Sie sah bedrückt und niedergeschlagen aus; zweifellos dachte sie an die schwierigen Monate und Jahre, die vor ihr lagen, daran, daß sie, auf sich allein gestellt, zwei kleine Kinder würde großziehen müssen in einer oft harten, grausamen Stadt. Es ist eine Sache, über Härten in der Zukunft nachzudenken, eine ganz andere, mit diesen Härten konfrontiert zu werden. Das einzige, was ich tun konnte, als ich die Stufen zum Keller hinabstieg, war, daß ich sie anlächelte, als ob ich ihr zeigen wolle, ich sei nicht in Sorge und sie solle es auch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ihr das viel half.
Vom Gericht wurde ich zum Johannesburg Fort gebracht. Als ich das Gerichtsgebäude verließ, um in ein Polizeifahrzeug zu steigen, standen draußen Hunderte von Menschen, die jubelten und riefen »Amandla!« und dann »Ngawethu«, den populären ANC-Wechselruf, der »Macht!« und »Die Macht ist unser!« bedeutet. Menschen schrien und sangen und trommelten mit den Fäusten gegen die Seiten des Polizeifahrzeugs, das langsam aus der Ausfahrt des Gerichtsgebäudes fuhr. Meine Verhaftung und der Prozeß hatten in allen Zeitungen Schlagzeilen gemacht:
»POLIZEIFAHNDUNG BEENDET ZWEIJÄHRIGE FLUCHT« lautete eine; »nelson mandela unter Arrest« eine andere. Der sogenannte Schwarze Pimpernell befand sich nicht mehr auf freiem Fuß.
Einige Tage später durfte Winnie mich besuchen. Sie hatte sich feingemacht und wirkte, zumindest nach außenhin, nicht so bedrückt wie zuvor. Sie brachte mir ein neues Paar teurer Pyjamas mit und ein reizendes Seidengewand, das eher zu einem Salon als zum Gefängnis paßte. Ich hatte nicht das Herz, ihr zu sagen, es sei völlig ausgeschlossen, daß ich solche Dinge im Gefängnis trug. Ich wußte natürlich, daß die Geschenke ein Ausdruck ihrer Liebe waren und ein Zeichen von Solidarität. Ich bedankte mich, und obwohl wir nur wenig Zeit hatten, besprachen wir in aller Kürze Familienangelegenheiten, vor allem, wie sie sich und die Kinder durchbringen sollte. Ich nannte die Namen von Freunden, die ihr helfen würden, und auch von Klienten, die mir noch Geld schuldeten. Ich sagte ihr, sie solle den Kindern die Wahrheit über meine Haft erzählen, und daß ich für eine lange Zeit fort sein würde. Wir seien nicht die erste Familie in dieser Situation, erklärte ich ihr, und wer solche Härten übersteht, sei am Ende stärker als zuvor. Ich versicherte ihr, daß unsere Sache stark und gerecht war, unsere Freunde loyal und daß ihre Liebe und ihre Ergebenheit mir über alles hinweghelfen würden, mochte geschehen, was da wolle. Der Beamte, der den Besuch überwachte, stellte sich blind, und wir umarmten uns, klammerten uns aneinander mit all der Kraft und den aufgestauten Emotionen, als sei dies eine Trennung für immer. In gewisser Weise war es das auch, denn wir sollten sehr lange voneinander getrennt bleiben, viel länger, als wir es uns damals hätten vorstellen können. Der Gefängnisbeamte gestattete mir, Winnie einen Teil des Weges zum Haupttor zu begleiten, wo ich sehen konnte, wie sie, allein und stolz, um die Ecke entschwand.
Im Fort wurde ich von Colonel Minnaar beaufsichtigt, einem höflichen Afrikander, der in den Augen seiner mehr »verkrampte« (härteren) Kollegen als eine Art Liberaler galt. Er erklärte mir, daß er mich ins Gefängnishospital verlegen werde, denn das sei der angenehmste Aufenthaltsort, und dort würde ich einen Tisch und einen Stuhl haben, um meinen Fall vorbereiten zu können. Zwar traf es zu, daß das Hospital geradezu komfortabel war – ich konnte in einem richtigen Bett schlafen, was ich in einem Gefängnis noch nie hatte tun können –, doch der wahre Grund für diese Großzügigkeit war, daß das Hospital der sicherste Ort war, an dem man mich
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