Der lange Weg zur Freiheit
auf den Vordersitzen. Freunde hatten von meiner Verhaftung erfahren. Fatima Meer hatte mir zum Gefängnis etwas Proviant gebracht, den ich mit den beiden Officers im Auto teilte. Wir hielten sogar unterwegs in Volksrust, einer kleinen Stadt, wo sie mir erlaubten, mir die Beine zu vertreten. Wurde ich freundlich behandelt, dachte ich nicht an Flucht; ich wollte nicht das Vertrauen der Menschen in mich ausnutzen.
Doch als wir uns Johannesburg näherten, veränderte sich die Atmosphäre. Über Polizeifunk hörte ich die Meldung von meiner Festnahme und den Befehl, die Straßensperren nach und von Natal abzuräumen. Bei Sonnenuntergang wurden wir an der Peripherie Johannesburgs von einer umfangreichen Polizeieskorte in Empfang genommen. Abrupt legte man mir Handschellen an, holte mich aus dem Auto und setzte mich in einen Spezialwagen mit kleinen dunklen, von Drähten verstärkten Fenstern. Dann fuhr die Fahrzeugkolonne auf einer verschlungenen, unbekannten Route nach Marshall Square, als fürchtete man, wir könnten in einen Hinterhalt geraten.
Man sperrte mich in eine Einzelzelle. Ich war gerade dabei, in der Stille der Zelle meine Strategie für den nächsten Tag zu planen, als ich aus einer Nachbarzelle ein Husten hörte. Mir war nicht gleich klar, daß sich ein anderer Häftling in meiner Nähe befand, doch das Husten klang auf eigentümliche Weise vertraut. Plötzlich erkannte ich es, richtete mich auf und rief: »Walter?«
»Nelson, bist du das?« sagte er, und wir lachten in einer unbeschreiblichen Mischung aus Erleichterung, Überraschung, Enttäuschung und Glücksgefühl. Ich erfuhr, daß Walter kurz nach meiner eigenen Verhaftung festgenommen worden war. Wir sahen beide zwischen den Verhaftungen einen Zusammenhang. Zwar waren unsere Zellen nicht gerade der günstigste Platz für ein Treffen des nationalen Arbeitskomitees, andererseits war es ganz praktisch, und die Nacht verging wie im Fluge, während ich ihm umfassend über meine Festnahme wie auch über meine Treffen in Durban berichtete.
Am nächsten Tag erschien ich im Gericht vor einem hohen Magistrate zwecks formaler Überstellung. Harold Wolpe und Joe Slavo waren zum Gericht geeilt, nachdem sie von meiner Verhaftung gehört hatten, und wir berieten uns im Keller. Ich war vor diesem Magistrate zahllose Male in beruflicher Eigenschaft erschienen, und wir hatten Respekt füreinander gefunden. Es war auch eine Anzahl von Rechtsanwälten anwesend, von denen ich einige gut kannte. Es ist merkwürdig, wie leicht man sich in bestimmten Situationen durch belanglose Ereignisse schmeicheln läßt. Ich bin unter normalen Umständen gegen Schmeichelei gewiß nicht immun, doch hier stand ich, ein Flüchtling, die Nr. 1 auf der Liste, am meisten gesucht, ein Outlaw in Handschellen, der über ein Jahr im Untergrund gelebt hatte, und trotzdem grüßten mich der Richter, die anderen Anwälte und die Zuschauer mit Ehrerbietung und professioneller Höflichkeit. Sie kannten mich als Nelson Mandela, Rechtsanwalt, nicht als Nelson Mandela, Outlaw. Das hob meine Stimmung ganz ungemein.
Während der Formalitäten wirkte der Magistrate scheu und beklommen und sah mich nicht direkt an. Auch die anderen Anwälte machten einen verlegenen Eindruck, und in diesem Augenblick fiel es mir gleichsam wie Schuppen von den Augen. Diesen Männern war nicht nur deshalb unbehaglich zumute, weil ich ein heruntergekommener Kollege war, sondern vielmehr, weil ich ein normaler Mann war, der für seine Überzeugungen bestraft wurde. In gewisser Weise, die ich zuvor nie ganz verstanden hatte, erkannte ich jetzt die Rolle, die ich vor Gericht spielen konnte, und die Möglichkeiten, die mir als Angeklagtem zur Verfügung standen. Ich war das Symbol der Gerechtigkeit im Gericht des Unterdrückers, der Vertreter der großen Ideale von Freiheit, Fairneß und Demokratie in einer Gesellschaft, die diese Tugenden mit Füßen trat. Damals begriff ich, daß ich den Kampf selbst innerhalb der Festung des Feindes fortführen konnte.
Nach dem Namen meines Anwalts gefragt, erklärte ich, daß ich mich selbst vertreten würde, mit Joe Slovo als juristischem Berater. Indem ich mich selbst vertrat, würde ich die Symbolkraft meiner Rolle stärken. Ich würde meinen Prozeß als Bühne nutzen für die moralische Opposition des ANC gegen den Rassismus. Ich würde weniger versuchen, mich zu verteidigen, als vielmehr so nachhaltig wie möglich den Staat auf die Anklagebank zu bringen. An jenem Tag gab ich nur
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