Der lange Weg zur Freiheit
vom Zufall abhängende Segregation der vergangenen drei Jahrhunderte sollte zu einem monolithischen System konsolidiert werden, das in seinen Details diabolisch, in seiner Reichweite unentrinnbar und in seiner Macht überwältigend war. Prämisse der Apartheid war, daß Weiße den Afrikanern, Farbigen und Indern überlegen waren, und Apartheid sollte dazu dienen, die weiße Vorherrschaft für alle Zeiten zu sichern. Wie die Nationalisten es ausdrückten: »Die wit man moet altyd baas wees« (»Der weiße Mann muß immer Boß bleiben«). Ihr Programm ruhte auf einem einzigen Wort: »Baaskap«, wörtlich »Boß-schaft«, ein inhaltsschweres Wort, das für die weiße Vorherrschaft mit all ihrer Härte stand. Die Politik hatte die Unterstützung der Dutch Reform Church, welche die Apartheid mit ihren religiösen Absicherungen versah, indem sie behauptete, die Afrikander seien Gottes auserwähltes Volk, und die Schwarzen seien eine untergeordnete Spezies. In der Weltsicht der Afrikander gingen Apartheid und Kirche Hand in Hand.
Für die Nationalisten war ihr Sieg im Burenkrieg der Anfang vom Ende der britischen Herrschaft über die Afrikander. Das Englische würde fortan hinter dem Afrikaans den zweiten Platz als Amtssprache einnehmen. Der Wahlspruch der Nationalisten enthielt ihre Mission: »Eie volk, eie taal, eie land« – »Ein Volk, eine Sprache, ein Land«. In der verzerrten Weltanschauung der Afrikander war der Sieg der Nationalisten wie der Zug der Israeliten ins Gelobte Land. Erfüllt war die Verheißung Gottes, gerechtfertigt ihre Überzeugung, Südafrika solle für alle Zeit ein Land des weißen Mannes sein.
Der Sieg war ein Schock. Die United Party und General Smuts hatten die Nazis geschlagen, und sicher würden sie auch die Nationalisten besiegen. Am Abend des Wahltages besuchte ich in Johannesburg mit Oliver und etlichen anderen eine Versammlung. Wir sprachen kaum über die Frage einer nationalistischen Regierung, weil wir mit keiner rechneten. Das Treffen dauerte die ganze Nacht, und als wir in der Morgenfrühe auf die Straße traten, sahen wir einen Zeitungshändler, der die Rand Daily Mail verkaufte: Die Nationalisten hatten gewonnen. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen, doch Oliver gab sich gelassen. »Mir gefällt das«, sagte er, »mir gefällt das.« Ich konnte mir nicht vorstellen, warum, und er erklärte: »Jetzt werden wir genau sehen, wer unsere Feinde sind und wo wir stehen.«
Selbst General Smuts erkannte die Gefahren dieser rüden Ideologie und bezeichnete die Apartheid als »eine verrückte Idee, geboren aus Vorurteil und Furcht«. Nach dem Wahlsieg der Nationalisten, das war uns klar, würde unser Land von Streit und Hader geschüttelt sein. Zum erstenmal in der Geschichte Südafrikas war eine reine Burenpartei an der Regierung. »Südafrika ist wieder unser«, verkündete Malan in seiner Siegesrede.
Im selben Jahr entwarf die Jugendliga ihre Politik in einem Manifest, das Mda verfaßt und das Exekutivkomitee der Liga herausgegeben hatte. Es war ein Aufruf an die gesamte patriotische Jugend, die weiße Herrschaft abzuschütteln. Wir verwarfen die kommunistische Vorstellung, die Afrikaner würden hauptsächlich als ökonomische Klasse und nicht als Rasse unterdrückt. Afrikaner müßten, fügten wir hinzu, eine machtvolle nationale Befreiungsbewegung ins Leben rufen, unter dem Banner des afrikanischen Nationalismus und »angeführt von den Afrikanern selbst«. Auf rechtlicher Ebene befürworteten wir die Neuaufteilung des Landes, die Abschaffung von Farbbarrieren, welche die Afrikaner hinderten, Facharbeit zu leisten, und die Notwendigkeit einer freien, für alle obligatorischen Schulbildung. Das Manifest ging auch auf das Hin und Her zwischen zwei rivalisierenden Theorien des afrikanischen Nationalismus ein, zwischen dem extremeren, von Marcus Garveys inspirierten Nationalismus des »Afrika den Afrikanern« und dem Afrikanismus der Youth League, der Jugendliga, der anerkannte, daß Südafrika ein multirassisches Land ist.
Ich sympathisierte mit dem ultrarevolutionären Strom des afrikanischen Nationalismus. Ich war zornig auf den weißen Mann, nicht auf den Rassismus. Wenngleich ich den weißen Mann nicht ins Meer jagen wollte, so wäre ich vollkommen glücklich gewesen, wenn er an Bord seiner Dampfschiffe gegangen wäre und den Kontinent aus freien Stücken verlassen hätte.
Die Jugendliga gab sich ein wenig freundlicher gegenüber den Indern und den Farbigen; sie
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