Der lange Weg zur Freiheit
erklärte, Inder würden zwar unterdrückt wie Afrikaner, doch hätten die Inder Indien, ein Vaterland, auf das sie schauen könnten. Auch die Farbigen würden unterdrückt, doch im Unterschied zu den Indern hätten sie kein Vaterland, es sei denn Afrika. Ich war bereit, Inder und Farbige zu akzeptieren, vorausgesetzt, sie akzeptierten unsere Politik; doch ihre Interessen waren nicht mit unseren identisch, und ich hatte meine Zweifel, ob unsere Sache ihnen echt am Herzen liegen könnte.
Schon bald begann Malan sein verderbliches Programm zu verwirklichen. Wenige Wochen, nachdem sie an die Macht gekommen war, begnadigte die nationalistische Regierung Robey Leibbrandt, den Kriegsverräter, der zur Unterstützung Nazi-Deutschlands Aufstände organisiert hatte. Die Regierung verkündete ihre Absicht, die Gewerkschaftsbewegung an die Kandare zu legen und das begrenzte Wahlrecht für Inder, Farbige und Afrikaner abzuschaffen. Die Separate Representation of Voters Bill nahm Farbigen ihre Repräsentation im Parlament. 1949 wurden »Mischehen« per Gesetz verboten, es folgte schnell der Immorality Act, der Sexualverkehr zwischen Weißen und Nichtweißen für illegal erklärte. Der Population and Registration Act klassifizierte alle Südafrikaner nach Rassenzugehörigkeit, so daß die Hautfarbe das einzige und wichtigste Kriterium zur Bewertung des einzelnen war. Malan führte auch den Group Areas Act ein – den er als »wahre Essenz der Apartheid« bezeichnete –, der getrennte Wohnviertel für jede rassische Gruppe forderte. In der Vergangenheit hatten sich die Weißen Land gewaltsam angeeignet, jetzt sicherten sie es sich durch Gesetzgebung.
Als Reaktion auf diese neue und weit mächtigere Bedrohung durch den Staat schlug der ANC einen ungewöhnlichen, einen historischen Weg ein. 1949 unternahm der ANC eine gewaltige Anstrengung, zu einer echten Massenorganisation zu werden.
Die Jugendliga entwarf ein Aktionsprogramm, dessen Eckpfeiler eine Kampagne zur Massenmobilisierung war.
Auf der alljährlichen ANC-Konferenz in Bloemfontein nahm die Organisation das Aktionsprogramm der Liga an, das zu Boykotts, Streiks, zum Daheimbleiben, zu passivem Widerstand, Protestdemonstrationen und anderen Formen von Massenaktionen aufrief. Dies war ein radikaler Wandel: Es war immer ANC-Politik gewesen, seine Aktivitäten im Rahmen des Gesetzlichen zu halten. Wir von der Jugendliga hatten miterlebt, wie legale und konstitutionelle Mittel nicht das geringste ausgerichtet hatten gegen rassische Unterdrückung. Nun sollte die ganze Organisation in ein aktivistischeres Stadium eintreten.
Diese Veränderungen vollzogen sich nicht ohne interne Dramatik. Einige Wochen vor der Konferenz trafen sich Walter Sisulu, Oliver Tambo, A. P. Mda und ich privat mit Dr. Xuma in seinem Haus in Sophiatown. Wir erklärten ihm, die Zeit sei reif für Massenaktionen in der Art von Gandhis gewaltfreien Protesten in Indien und des passiven Widerstandes von 1946, und betonten, der ANC sei angesichts der Unterdrückung zahm geworden. Die Führer des ANC, erklärten wir, müßten bereit sein, Gesetze zu verletzen und, falls nötig, für ihre Überzeugungen ins Gefängnis zu gehen, wie Gandhi.
Dr. Xuma war entschieden dagegen. Solche Strategien seien verfrüht und würden der Regierung nur einen Vorwand liefern, den ANC zu zerschlagen. Solche Protestformen, meinte er, würden sicher irgendwann in Südafrika eingesetzt werden, doch im Augenblick sei ein solcher Schritt zu gefährlich. Er erklärte nachdrücklich, er sei Arzt mit einer großen, gutgehenden Praxis, die er nicht gefährden wolle, indem er ins Gefängnis ginge.
Wir stellten Dr. Xuma ein Ultimatum: Bei seiner Wiederwahl zum Präsidenten des ANC würden wir ihn unterstützen, versprachen wir, allerdings unter der Voraussetzung, daß er das von uns vorgeschlagene Aktionsprogramm unterstützte. Falls er uns nicht unterstützte, würden wir auch ihn nicht unterstützen. Dr. Xuma ereiferte sich, beschuldigte uns der Erpressung und verübelte uns, daß wir ihm Bedingungen stellten, unter denen wir für ihn stimmen würden. Wir seien jung und arrogant, behandelten ihn ohne Respekt. Wir hielten dagegen, doch es hatte keinen Zweck. Er lehnte unseren Vorschlag ab.
Um elf Uhr abends warf er uns ohne Umschweife aus seinem Haus und schloß das Tor hinter uns. In Sophiatown gab es keine Straßenlaternen, und es war eine mondlose Nacht. Wir konnten uns kaum erkennen. Öffentliche Transportmittel verkehrten zu
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