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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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dieser Nachtzeit längst nicht mehr, und wir wohnten alle im viele Meilen entfernten Orlando. Oliver bemerkte, Xuma hätte uns wenigstens ein Transportmittel anbieten können. Walter war mit einer Familie befreundet, die in der Nähe wohnte, und so baten wir die Leute, bei ihnen übernachten zu dürfen.
    Auf der Konferenz im Dezember wußten wir von der Jugendliga, daß wir genügend Stimmen hatten, um Dr. Xuma abzusetzen. Als Gegenkandidaten für das Präsidentenamt schlugen wir Dr. J. S. Moroka vor. Er war nicht unsere erste Wahl. Der Mann, den wir uns wünschten, war Professor Z. K. Matthews, doch er hielt uns für zu radikal und unseren Aktionsplan für zu unpraktisch. Er nannte uns naive Aufrührer und fügte hinzu, mit den Jahren werde sich das schon geben. Es war unwahrscheinlich, daß Dr. Moroka gewählt wurde. Er war Mitglied der All-African Convention (AAC), die zu jener Zeit von Trotzkisten beherrscht war. Als er einwilligte, gegen Dr. Xuma anzutreten, nahm die Jugendliga ihn als ANC-Mitglied auf. Als wir zum erstenmal an ihn herantraten, nannte er den ANC, den African National Congress, African National »Council«. Er wußte herzlich wenig vom ANC, auch war er kein erfahrener Aktivist, doch für unseren Vorschlag und unser Programm war er zugänglich. Wie Dr. Xuma war er Mediziner und einer der wohlhabendsten Schwarzen in Südafrika. Er hatte in Edinburgh und Wien studiert. Morokas Urgroßvater war Häuptling im Oranje-Freistaat gewesen und hatte die burischen »Voortrekkers« des 19. Jahrhunderts mit offenen Armen und Landgeschenken willkommen geheißen – und war dann verraten worden. Dr. Xuma erlitt bei der Wahl eine Niederlage, und Dr. Moroka wurde Generalpräsident des ANC, Walter Sisulu wurde zum neuen Generalsekretär, Oliver Tambo in das Nationale Exekutivkomitee gewählt.
    Das von der Jahreskonferenz gebilligte Aktionsprogramm rief zum Kampf um politische Rechte mit Hilfe von Boykotts, Streiks, zivilem Ungehorsam und Nichtkooperation auf. Außerdem rief es dazu auf, an einem bestimmten Tag landesweit der Arbeit fernzubleiben als Ausdruck des Protests gegen die rassistische und reaktionäre Politik der Regierung. Das war ein Abschied von den Tagen des Wohlverhaltens, und viele der Altgedienten des ANC sollten in dieser Ära größerer Militanz in den Hintergrund treten. Mitglieder der Jugendliga waren in die Organisation der Älteren aufgestiegen. Wir führten den ANC auf einen Weg, der radikaler und revolutionärer war.
    Ich konnte den Triumph der Jugendliga nur aus der Ferne feiern, denn es war mir nicht möglich, an der Konferenz teilzunehmen. Ich arbeitete damals für eine Anwaltskanzlei, und die weigerte sich, mir zwei Tage freizugeben, damit ich an der Konferenz in Bloemfontein teilnehmen konnte. Die Kanzlei war zwar liberal, doch sie erwartete, daß ich mich auf meine Arbeit konzentrierte und auf die Politik verzichtete. Wäre ich zur Konferenz gefahren, hätte ich meinen Job verloren, und das konnte ich mir nicht leisten.
    Der Geist der Massenaktion regte sich, doch ich war weiterhin skeptisch gegenüber Aktionen mit Kommunisten und Indern. Die Defend Free Speech Convention (»Versammlung zur Verteidigung der Redefreiheit«) im März 1950, organisiert vom Transvaal-ANC, dem Transvaal Indian Congress, der African People’s Organization und der Bezirksgruppe der Kommunistischen Partei, brachte 10000 Menschen auf den Marktplatz von Johannesburg. Ohne die Exekutive zu konsultieren, erklärte sich Dr. Moroka bereit, den Vorsitz der Versammlung zu übernehmen: Die »Convention« war ein großer Erfolg, doch ich blieb skeptisch, denn die Haupttriebkraft hinter ihr war die Kommunistische Partei.
    Auf Betreiben der Kommunistischen Partei und des Indian Congress verabschiedete die »Convention« eine Resolution über einen eintägigen Generalstreik, den »Freedom Day on May 1«, auf dem die Abschaffung der Paßgesetze und aller diskriminierender Gesetzgebung gefordert werden sollte. Obwohl ich diese Absichten mittrug, glaubte ich, daß die Kommunisten darauf aus waren, den ANC um die Wirkung seines nationalen Protesttags zu bringen. Ich sprach mich gegen den Aktionstag im Mai aus, weil nicht der ANC die Kampagne veranlaßt hatte, denn ich glaubte, wir sollten uns auf unsere eigene Kampagne konzentrieren.
    Ahmed Kathrada war damals kaum 21 Jahre alt, und wie jedem jungen Mann gefiel es ihm, seine Muskeln spielen zu lassen. Er war ein führendes Mitglied des Transvaal Indian Youth Congress und

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