Der lange Weg zur Freiheit
zerstören trachtete. Gesetze, welche die Menschen ihrer Rechte beraubten, wurden stets als Gesetze beschrieben, die diese Rechte wiederherstellten.
Die Farbigen demonstrierten gegen das Gesetz über separate Wahllisten. Im März 1951 organisierten sie in Kapstadt einen eindrucksvollen Protestmarsch und im April einen Streik, bei dem die Läden geschlossen und die Schulkinder zu Hause blieben. Im Zusammenhang mit diesem Geist des Aktivismus bei Indern, Farbigen und Afrikanern schnitt Walter Sisulu vor einer kleinen Gruppe von uns zum erstenmal die Frage einer nationalen Kampagne zivilen Ungehorsams an. Er entwarf einen Plan, nach dem ausgewählte Freiwillige aus allen Gruppen absichtlich Gefängnishaft riskieren sollten, indem sie gegen bestimmte Gesetze verstießen.
Die Idee sagte mir sofort zu, wie auch den anderen, doch ich war anderer Meinung als Walter, was die Frage betraf, wer daran teilnehmen sollte. Ich war kurz zuvor Präsident der Jugendliga geworden, und in meiner neuen Rolle drängte ich darauf, die Kampagne solle ausschließlich von Afrikanern getragen werden. Der durchschnittliche Afrikaner, erklärte ich, sei gegenüber gemeinsamen Aktionen mit Indern und Farbigen noch immer zurückhaltend. Obwohl ich hinsichtlich meiner Opposition zum Kommunismus Fortschritte gemacht hatte, fürchtete ich weiterhin den Einfluß der Inder. Außerdem hielten viele unserer afrikanischen Anhänger vom Lande die Inder in ihrer Rolle als Ladenbesitzer und Kaufleute für Ausbeuter schwarzer Arbeiter.
Walter widersprach heftig und argumentierte, Inder, Farbige und Afrikaner seien unauflöslich miteinander verbunden. Das Thema kam bei einem Treffen des Nationalen Exekutivkomitees erneut zur Sprache, und meine Ansicht wurde niedergestimmt, auch von solchen, die als stramme Nationalisten galten. Aber ich blieb standhaft. Als Präsident der Jugendliga sprach ich die Frage noch einmal auf der nationalen Konferenz im Dezember 1951 an, doch die Delegierten verwarfen meinen Standpunkt genauso emphatisch, wie es das Nationale Exekutivkomitee getan hatte. Als meine Auffassung auf den höchsten Ebenen des ANC abgelehnt worden war, akzeptierte ich die allgemeine Haltung. Während meine Rede, mit der ich die Strategie des Alleingangs verteidigt hatte, nur lauwarm aufgenommen worden war, löste meine Rede als Präsident der Jugendliga, nachdem die Liga ihre Unterstützung für die neue Kooperationspolitik erklärt hatte, großen Beifall aus.
Auf Weisung eines gemeinsamen Planungsrats, bestehend aus Dr. Moroka, Walter Sisulu, J. B. Marks, Yusuf Dadoo und Yusuf Cachalia, verabschiedete die ANC-Konferenz eine Resolution, mit der die Regierung aufgefordert wurde, den Suppression of Communism Act, den Group Areas Act, den Separate Representation of Voters Act, den Bantu Authorities Act, die Paßgesetze und die Stock Limitation Laws bis zum 29. Februar 1952 zu widerrufen. Die letztgenannten Gesetze sollten die Überweidung von Land durch Viehherden verringern, doch sie würden sich dahingehend auswirken, daß für Afrikaner noch weniger Land verfügbar sein würde. Der Rat beschloß, der ANC solle am 6. April 1952 Demonstrationen veranstalten, als Auftakt der Kampagne zur Defiance of Unjust Laws (»Mißachtung von ungerechten Gesetzen«). Am selben Tag würden weiße Südafrikaner den 300. Jahrestag der Ankunft Jan Van Riebeeks am Kap im Jahr 1652 feiern. Am 6. April jeden Jahres gedenken weiße Südafrikaner der »Entdeckung« ihres Landes – die Afrikaner verfluchen den Tag als Anfang von 300 Jahren Versklavung.
Der ANC setzte einen Brief an den Premierminister auf, mit dem er über die Resolutionen und den Schlußtermin zur Gesetzesaufhebung in Kenntnis gesetzt wurde. Da der Brief den Namen von Dr. Moroka tragen sollte, dieser aber an seiner Abfassung nicht beteiligt gewesen war, wurde mir aufgetragen, den Brief zu ihm nach Hause in Thaba ‘Nchu zu bringen, einer Kleinstadt bei Bloemfontein im Oranje-Freistaat, einer sehr konservativen Gegend des Landes. Beinahe hätte ich es nicht geschafft, ihn dort aufzusuchen.
Nur wenige Wochen zuvor hatte ich mich einer Fahrprüfung unterzogen. In jenen Tagen war ein Führerschein etwas Ungewöhnliches für einen Afrikaner, denn nur wenige Schwarze besaßen Autos. Zum vereinbarten Termin lieh ich mir für die Prüfung ein Auto, und ein wenig übermütig damals, beschloß ich, das Auto selbst zu fahren. Da ich spät dran war, fuhr ich schneller, als es gut war, und als ich von
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