Der lange Weg zur Freiheit
Name?«
»Mandela«, erwiderte ich.
»Nein, der Vorname«, ergänzte er. Ich sagte es ihm.
»Nelson«, sagte der Sergeant, als spreche er zu einem Knaben. »Ich will Ihnen ja helfen, die Fahrt fortzusetzen. Aber wenn Sie mir Schwierigkeiten machen, bleibt mir nichts anderes übrig, als Ihnen Schwierigkeiten zu machen und Sie über Nacht einzusperren.« Das brachte mich wieder auf die Erde zurück, und ich hatte gegen die Messungen nichts mehr einzuwenden.
Spät in jener Nacht fuhr ich weiter, und als ich am nächsten Morgen durch den Distrikt von Excelsior fuhr, blieb mein Auto auf einmal stehen. Das Benzin war mir ausgegangen. Ich ging zu einem nahe gelegenen Farmhaus und erklärte einer älteren weißen Lady auf englisch, ich würde mir gern etwas Benzin kaufen. Als sie die Tür schloß, erklärte sie: »Ich habe kein Benzin.« Ich marschierte zwei Meilen bis zur nächsten Farm, und eingeschüchtert durch meinen erfolglosen Versuch, versuchte ich es mit einer anderen Strategie. Ich bat, den Farmer sprechen zu dürfen, und als er erschien, nahm ich eine unterwürfige Haltung an und sagte: »Meinem Baas ist das Benzin ausgegangen.« (»Baas« ist das Burenwort für »Boß« oder Herr und signalisiert Unterwürfigkeit.) Der Farmer, freundlich und hilfsbereit, war ein Verwandter des Premierministers Strijdom. Ich glaube, er hätte mir auch dann Benzin gegeben, wenn ich nicht das verhaßte Wort »Baas« gebraucht hätte.
Das Treffen mit Dr. Moroka war weniger ereignisreich als meine Reise zu ihm. Dr. Moroka billigte den Brief, und ich fuhr ohne Zwischenfall nach Johannesburg zurück. Der Brief an den Premierminister beinhaltete, daß der ANC jedes uns zur Verfügung stehende verfassungsmäßige Mittel ausgeschöpft habe, um unsere legitimen Rechte zu erhalten, und daß wir die Aufhebung der sechs »ungerechten Gesetze« bis zum 29. Februar 1952 forderten, sonst würden wir zur außer-verfassungsmäßigen Aktion greifen. Malans Antwort, unterschrieben von seinem Privatsekretär, bekräftigte, die Weißen hätten ein angestammtes Recht, Maßnahmen zu treffen zur Wahrung ihrer eigenen Identität als eigenständige Gemeinschaft, und endete mit der Drohung, die Regierung werde, sollten wir unsere geplanten Aktionen durchführen, nicht zögern, ihre staatliche Maschinerie voll einzusetzen, um alle Unruhen einzudämmen.
Wir betrachteten Malans knappe Zurückweisung unserer Forderungen als Kriegserklärung. Wir hatten jetzt keine andere Wahl, als unsere Zuflucht zu zivilem Ungehorsam zu nehmen, und wir gingen mit allem Ernst an die Vorbereitungen der Massenaktionen. Rekrutierung und Schulung der Freiwilligen waren wesentliche Aufgaben der Kampagne, denn davon hingen weitgehend Erfolg oder Mißerfolg ab. Zum Auftakt führten wir am 6. April in Johannesburg, Pretoria, Port Elizabeth, Durban und Kapstadt Demonstrationen durch. Dr. Moroka sprach auf dem Freedom Square in Johannesburg zu einer Menschenmenge, ich im Gewerkschaftshaus der Textilarbeiter vor einer Gruppe potentieller Freiwilliger. Ich erklärte mehreren hundert Afrikanern, Indern und Farbigen, daß sie eine schwierige und gefährliche Aufgabe erwartete, denn die Regierung würde versuchen, sie einzuschüchtern, ins Gefängnis zu stecken, und vielleicht sogar angreifen. Was auch immer die Behörden täten, die Freiwilligen dürften nicht zurückschlagen, denn dann würden sie den Wert des gesamten Unternehmens untergraben. Sie müßten auf Gewalt mit Gewaltlosigkeit antworten; um jeden Preis müsse Disziplin aufrechterhalten werden.
Am 31. Mai trafen sich die Mitglieder der Exekutive von ANC und SAIC in Port Elizabeth und kündigten an, die Mißachtungskampagne werde am 26. Juni beginnen, dem Jahrestag des ersten Nationalen Protesttags. Zur Leitung der Kampagne wurde ein Nationales Aktionskomitee gebildet und zur Rekrutierung und Ausbildung von Freiwilligen ein nationaler Freiwilligenausschuß. Ich wurde zum nationalen Freiwilligen-Leiter der Kampagne und zum Vorsitzenden sowohl des Aktionskomitees wie auch des Freiwilligenausschusses ernannt. Meine Aufgabe bestand darin, die Kampagne zu organisieren, regionale Bezirksstellen zu koordinieren, Freiwillige anzuwerben und Geldmittel aufzutreiben.
Wir diskutierten auch, ob die Kampagne den von Gandhi entwickelten Grundsätzen der Gewaltlosigkeit folgen solle, dem was Gandhi »satyiagraha« genannt hatte, eine Gewaltlosigkeit, die durch Bekehrung zu gewinnen suchte. Einige sprachen sich für Gewaltlosigkeit
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