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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Demonstranten wurden zur örtlichen Polizeistation gebracht und angezeigt.
    Noch am selben Abend nahmen die Leiter des Aktionskomitees, darunter Oliver Tambo, Yusuf Cachalia und ich, an einem Treffen in der Stadt teil, um die Ereignisse des Tages zu erörtern und für die kommende Woche zu planen. Wir trafen uns unweit des Stadtteils, wo die zweite Gruppe von Widerständlern, angeführt von Flag Boshielo, dem Vorsitzenden der zentralen Sektion des ANC, ihre Verhaftung provozierten. Sie marschierten kurz nach elf Uhr gemeinsam durch die Straßen. Um diese Zeit trat die Sperrstunde in Kraft, und Afrikaner brauchten eine Erlaubnis, um sich noch draußen aufzuhalten.
    Wir beendeten unsere Versammlung um Mitternacht. Ich fühlte mich erschöpft und dachte nicht an Widerstand, sondern an eine warme Mahlzeit und wohlverdiente Ruhe. In diesem Augenblick traten Polizisten auf Yusuf und mich zu. Es war offenkundig, daß wir beide auf dem Heimweg und nicht beim Protestmarsch waren. »Nein, Mandela«, rief einer der Polizisten. »Sie können nicht abhauen.« Mit seinem Schlagstock wies er auf einen in der Nähe geparkten Polizeitransporter: »Einsteigen!« Am liebsten hätte ich ihm erklärt, daß ich die Kampagne im Augenblick gar nicht leitete und entsprechend unseren Planungen erst viel später demonstrieren und mich verhaften lassen sollte, aber natürlich wäre das lächerlich gewesen. Ich beobachtete, wie er zu Yusuf ging, um diesen festzunehmen, und Yusuf quittierte die Ironie der Situation mit lautem Gelächter. Es war schön anzuschauen, wie er grinste, als der Polizist ihn abführte.
    Augenblicke später befanden Yusuf und ich uns inmitten von gut 50 unserer von Flag Boshielo geführten Freiwilligen, die in Transportern zu der aus roten Ziegeln erbauten Polizeistation gebracht wurden, die den Namen Marshall Square trug. Als Mitglieder des Aktionskomitees machten wir uns Sorgen, daß die anderen sich über unsere Abwesenheit wundern und sich fragen könnten, wer die Kampagne organisieren sollte. Aber es herrschte eine gute Stimmung. Schon auf der Fahrt zum Gefängnis hallten die Transporter wider von den lauten Stimmen der Widerständler, die »Nkosi Sikelel’ iAfrika« (»Gott segne Afrika«) sangen, die wunderschöne afrikanische Nationalhymne.
    Als wir in dieser Nacht in den Gefängnishof gedrängt wurden, stieß ein weißer Wächter einen von uns so heftig an, daß er einige Stufen hinunterstürzte und sich einen Fußknöchel brach. Ich beschwerte mich bei dem Wärter über sein Verhalten, und seine Reaktion war ein Tritt gegen mein Schienbein. Ich verlangte, daß der Verletzte sofort ärztlich behandelt werde, und wir begannen eine kleine, aber laute Demonstration. Man teilte uns jedoch nur knapp mit, der Verletzte könne am folgenden Tag einen Arzt verlangen, falls er es wünsche. In der Nacht hörten wir, wie sehr er litt.
    Bis dahin hatte ich immer nur sehr kurze Zeit im Gefängnis zugebracht, und dies war meine erste intensive Erfahrung. Marshall Square war schmutzig, düster und verwahrlost, aber wir waren alle zusammen und so von hochgemuten Gefühlen erfüllt, daß ich meine Umgebung kaum wahrnahm. Die Kameradschaft unserer Mitstreiter ließ die zwei Tage schnell vergehen.
     
     
    An jenem ersten Tag der Mißachtungskampagne verstießen im ganzen Land über 250 Freiwillige gegen verschiedene ungerechte Gesetze und wurden ins Gefängnis geworfen. Es war ein verheißungsvoller Anfang. Unsere Truppen waren wohlgeordnet, diszipliniert und voller Zuversicht.
    Während der nächsten fünf Monate nahmen im ganzen Land rund 8500 Menschen an der Kampagne teil. Unter ihnen waren Ärzte, Fabrikarbeiter, Rechtsanwälte, Lehrer, Studenten, Geistliche. Sie sangen: »He, Malan! Öffne die Gefängnistore. Wir wollen hinein.« Die Kampagne breitete sich über den Witwatersrand, Durban bis nach Port Elizabeth, East London und Kapstadt und zu den kleineren Städten im östlichen und westlichen Kap aus. Sogar in den ländlichen Gegenden begann sich Widerstand zu regen. Zum größten Teil waren die Gesetzesverstöße geringfügig, und die Strafen reichten von nicht mehr als ein paar Nächten im Gefängnis bis zu ein oder zwei Monaten Haft ersatzweise einer Geldstrafe, die selten zehn Pfund überstieg. Die Kampagne erreichte eine enorme Publizität, und die Mitgliederzahl des ANC stieg in dieser Zeit von gut 20000 schnell auf 100000. Der spektakulärste Anstieg wurde im östlichen Kap registriert; es stellte die Hälfte aller

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