Der lange Weg zur Freiheit
der Wahrheit entfernt war. Die Regierung ließ die Organisation auch mit Spitzeln und Agents provocateurs infiltrieren. Der ANC hieß praktisch jeden willkommen, der Mitglied werden wollte. Obwohl all unsere Freiwilligen auf Herz und Nieren geprüft wurden, bevor sie zum Einsatz ausgewählt wurden, gelang es der Polizei doch, nicht nur unsere Ortsgruppen zu infiltrieren, sondern auch einige der Gruppen von Widerständlern. Als ich am ersten Tag der Kampagne verhaftet und nach Marshall Square gebracht wurde, fielen mir unter den Widerständlern zwei Burschen auf, von denen ich einen nie zuvor gesehen hatte. Der eine trug eine ungewöhnliche Gefängniskleidung: Anzug samt Krawatte und Mantel sowie Seidenschal. Wer geht denn so gekleidet ins Gefängnis? Sein Name war Ramaila. Am dritten Tag, als unsere Entlassung bevorstand, verschwand er einfach.
Ein zweiter Bursche namens Makhanda fiel durch seine militärische Haltung auf. Wir standen draußen im Hof und waren alle besten Mutes. Die Freiwilligen marschierten an Yusuf und mir vorbei und salutierten vor uns. Makhanda, schlank und hochgewachsen, marschierte nach Soldatenart und salutierte kurz und gekonnt. Mehrere Männer spotteten, er müsse wohl Polizist sein, wenn er so ausgezeichnet salutieren könne.
Makhanda hatte zuvor als Hausmeister im ANC-Hauptquartier gearbeitet. Er war sehr eifrig und bei den Leuten beliebt, denn immer, wenn irgendwer Hunger hatte, lief er, Fish und Chips zu besorgen. Doch bei unserem späteren Prozeß entdeckten wir, daß Makhanda und Ramaila Polizeispitzel waren. Ramaila sagte als Zeuge aus, er habe sich in die Reihen der Widerständler eingeschlichen, und der vertrauenswürdige Makhanda war in Wirklichkeit Detective-Sergeant Motloung.
Afrikaner, die als Polizeispitzel gegen ihre eigenen Brüder arbeiteten, taten dies in der Regel für Geld. Viele Schwarze in Südafrika glaubten, jede Herausforderung des weißen Mannes durch Schwarze sei einfach töricht und zum Scheitern verurteilt. Der weiße Mann sei zu gescheit und zu mächtig. Diese Spitzel betrachteten uns nicht als echte Bedrohung für die weiße Machtstruktur, sondern für die schwarzen Interessen, weil die Weißen wegen des Verhaltens einiger weniger Agitatoren alle Schwarzen schlecht behandeln würden.
Gleichzeitig gab es viele schwarze Polizisten, die uns heimlich halfen. Sie waren anständige Kerle und standen vor einem moralischen Dilemma. Sie waren loyal gegenüber ihrem Dienstherrn und waren auf ihre Jobs angewiesen, um ihre Familien ernähren zu können, aber sie sympathisierten auch mit unserer Sache. Wir hatten einvernehmlichen Kontakt zu einer Handvoll afrikanischer Beamter, die zur Sicherheitspolizei gehörten und uns über bevorstehende Polizeirazzien informierten. Diese Männer waren wirkliche Patrioten, die ihr Leben riskierten, um beim Kampf zu helfen.
Die Regierung war nicht unser einziges Hindernis. Andere, die uns hätten helfen können, behinderten uns statt dessen. Auf dem Höhepunkt der Mißachtungskampagne schickte die United Party zwei ihrer MPs (Parlamentsabgeordnete) zu uns, die uns zum Abbruch der Kampagne aufforderten. Sie erklärten, wenn wir unsere Kampagne als Reaktion auf einen Appell ihres Parteiführers J. G. N. Strauss einstellten, so werde das der United Party helfen, die Traditionalisten bei der nächsten Wahl zu besiegen. Als wir ablehnten, griff Strauss uns auf die gleiche höhnische Weise an wie die Nationalisten.
Auch eine Splittergruppe des ANC, die sich als National Minded Bloc bezeichnete, griff uns an. Unter der Führung von Selope Thema, eines früheren Mitglieds des Nationalen Exekutivkomitees, spaltete sich die Gruppe vom ANC ab, als J. B. Marks zum Präsidenten des ANC von Transvaal gewählt wurde. Thema, Herausgeber der Zeitung The Bantu World, kritisierte die Kampagne in seiner Zeitung aufs schärfste und behauptete, der ANC werde von Kommunisten beherrscht und die Afrikaner würden von Indern ausgebeutet. Die Kommunisten seien jetzt, da sie im Untergrund arbeiteten, noch gefährlicher und die ökonomischen Interessen der Inder befänden sich im Konflikt mit denen der Afrikaner. Obwohl er im ANC einer Minderheit angehörte, fanden seine Ansichten bei gewissen radikalen Mitgliedern der Jugendliga doch Gehör.
Im Mai, mitten in der Mißachtungskampagne, wurde J. B. Marks nach dem Suppression of Communism Act von 1950 wegen des Verdachts, »die Ziele des Kommunismus zu fördern«, unter Bann gestellt. Dabei handelte es
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