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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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keine Miene, sieht ihn nur flüchtig an, um ihr Gesicht gleich wieder der Straße zuzuwenden.
    »Welcher Freier ?«
    »Ich weiß eben nicht, wie’s geht.«
    »Hm, er fragt : Wieviel.«
    »Wieviel ?«
    »Kommt drauf an. Ficken zweihundert.«
    »Ja bitte«, sagt er.
    Sie geht voraus, biegt in einen Eingang, steigt eine Treppe hoch und bleibt auf dem ersten Absatz stehen, an einem kleinen Tisch, hinter dem ein dunkelhäutiger Mann sitzt. Sie streckt Martin die Hand hin, sagt : »Achtzig« und wackelt ungeduldig mit den Fingern.
    »Fürs Zimmer.«
    Er legt ihr das Geld in die Hand, sie legt es in die des Mannes und schnaubt verächtlich, als Martin sagt : »Das ist was für reiche Leute.«
    »Bist du doch.«
    Im nächsten Stockwerk angekommen, geht sie in das dritte Zimmer auf dem Flur und hält ihm, nachdem er eingetreten ist, wieder die Hand mit den ungeduldigen Fingern hin : »Zweihundert.«
    Wenn sie so weitermacht mit diesem arroganten Getue, dieser Art, an ihm vorbeizusehen, dann findet er sie gleich nicht mehr schön. Ohnehin wird ihm immer seltsamer zumut. Schon kostet es ihn Anstrengung, den Impuls, aus dem heraus er sich an sie wandte, nicht zu bereuen.
    Sie zieht sich aus. Wieder ohne ihn dabei anzusehen.
    Dann greift sie in ihre Tasche und streckt ihm erneut die Hand hin. Diesmal liegt ein eingepacktes Kondom darin. »Wasch dich«, sagt sie zum Fenster hinaus.
    Er nimmt sein Jackett von der Stuhllehne. »Ich glaub, ich laß es lieber«, sagt er. »Sei nicht böse.«
    Jetzt endlich sieht sie ihn an. Aber nicht überrascht, wie er erwartet hat, sondern mißtrauisch, als rechne sie damit, daß er sein Geld wieder zurück will.
    »Bezahlt ist bezahlt«, sagt er und spürt seine wachsende Unsicherheit. Höchste Zeit, sich zu verziehen, bevor er die Selbstachtung vollständig verloren haben wird.
    Mit einem Schulterzucken zieht sie sich an. Er hält schon die Klinke in der Hand, als er fragt : »Muß das jeder bei dir aushalten, daß du so unfreundlich bist, oder liegt das an mir ?«
    »Willst auch noch geliebt werden, hah ?« Jetzt liegt der Anflug eines Lächelns um ihren Mund. Aber vielleicht bildet er sich das auch nur ein. »Kostet mehr als zweihundert«, sagt sie noch, »geliebt werden kostet viel mehr.«
    »Aus welchem Film hast du das, irgendwas mit Jodie Foster ?« Er glaubt ihr das Theater nicht mehr. Sie riecht die Skrupel und nutzt seine Unsicherheit aus, weil er ihr die Chance dazu gibt. Einmal weniger arbeiten fürs gleiche Geld. So einfach ist das. Sie schüttelt nur höhnisch den Kopf und zieht sich ihr Sweatshirt über die Brüste.
    Ihm fällt nichts Besseres mehr ein, als mit dem nutz-losen Kondompäckchen nach ihr zu werfen, aber nicht einmal das gelingt, er verfehlt sie. Sie hat recht, ihn so abfahren zu lassen. Er taugt nicht dazu.
     
    *
     
    Der Whisky aus der Minibar und der letzte Nacht entbehrte Schlaf verkürzen ihm gnädig die Zeit, die er braucht, um diese lächerliche Schlappe zu vergessen.

5.
     
    Auch die Lupe half nicht. Weiter als der Playboy erlaubt, dringt niemand in die Schatten der Bilder ein. Martin fühlte sich unwohl. Das war wie Reliquienverehrung.
    Ersatz. Ein Stück Hochglanzpapier. Aber was blieb ihm sonst ? Er begehrte sie. Er war verliebt und wollte sie nicht nur haben, sie nicht nur berühren und auf sich legen wie Mull auf eine Wunde, er wollte auch teilen mit ihr. Selbst wenn er nichts zu bieten hätte als seine Bereitschaft, zuzuhören und ihre Höhenflüge mit den Gedanken nachzuzeichnen ; er wollte Teil werden ihrer Lust am Leben und Teil dieser unverhohlenen Sucht nach mehr.
    Die Nachtschichten, die er jetzt fuhr, taten ein übriges, ihn aus der Wirklichkeit in eine Art Zwischenwelt zu versetzen, einen dämmrigen Zustand erstaunter Skepsis, in dem die Dinge so oder anders sein konnten, normal und seltsam zugleich. Normal war es und seltsam, nur mit ein paar Fotos und den Vorstellungen, die er sich von dieser Frau machte, zu leben und dabei nichts außer ihr zu vermissen.
     
    *
     
    Seine wenigen Bekanntschaften verliefen im Sande, denn er fuhr, wenn sich die anderen amüsierten, und hatte frei, wenn sie arbeiteten. Die Kontakte brachen sang-und klanglos ab. Anfangs noch selten und dann schon bald nie mehr hörte er den Satz, wir sollten mal wieder was zusammen unternehmen, wenn jemand, den er kannte, aus seinem Wagen stieg.
    Er lernte, sich wortkarg zu geben, um Geschwätz vorzubeugen, und männlich, um die Streitlustigen in ihre Schranken zu weisen. Zum

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