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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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es alleine nicht schaffen. Nicht mit ihrer Künstlerarroganz, diesem stets beleidigten Warten darauf, daß die Welt sie endlich entdecken möge, anstatt selber einen Schritt zu tun. Die Bilder verdienen doch Beachtung, die sind doch gut. Und mir wird nicht langweilig. Wer weiß, vielleicht verdiene ich sogar daran ? Und das Beste : Sie müßte mir dankbar sein. Was für ein wunderbarer Witz.

6.
     
    Wochen waren vergangen, als er eines Nachts bei sich zu Hause vorbeifuhr, um ein neues Buch zu holen. Es lief so gut wie nichts, und er wollte weder im Wagen ein-schlafen noch seine Zeit mit dem Gerede der Kollegen vertun. Im Näherkommen sah er ein Häufchen Elend auf der Treppe sitzen. Das willkommenste Häufchen Elend, das er sich vorstellen konnte. Sie trug eine rote Baskenmütze und einen dünnen roten Schal. Ihre Augen waren verweint, und sie rauchte mit zittrigen Händen eine wie naß riechende Gitane. Etwas in ihm hüpfte vom Magen bis unter die Nase, doch er zügelte seine Freude angesichts ihrer offenkundigen Misere.
    »Kann ich heut nacht bei dir schlafen ?«
    »Ja, klar«, sagte er und half ihr auf. »Was ist denn los ?«
    Sie antwortete nicht, ging nur mit hängenden Schultern schweigend vor ihm her, und erst als sie im Zimmer Schal und Jacke von sich warf, sagte sie leise : »Ich wußte niemand sonst.«
    Nicht gerade ein Kompliment für ihn, aber er würde jetzt keine Erbsen zählen. Nicht nach den Wochen ergebnisloser Suche, da sie endlich wieder da war.
    »Ich hab dich gesucht«, sagte er, und sie sah ihn erstaunt, fast zweifelnd an, als ergäbe das für sie keinen Sinn.
    Er blieb in der Tür stehen. Vielleicht war sie froh, das Bett nicht mit ihm teilen zu müssen. Der Blick, den sie uneingeladen in den Kühlschrank warf, zeigte schon wieder etwas von ihrer alten, wohlbekannten Selbstsicherheit. »Nimm, was du willst«, sagte er, »ich bin so gegen acht Uhr wieder da.«
    »Ich will nur schlafen«, sagte sie.
    »Willst du nicht sagen, was los ist ?«
    »Nur schlafen.«
    Noch bevor er die Tür ganz geschlossen hatte, zog sie sich den Pullover über den Kopf. Als zählten seine Blicke nicht.
    Das Buch hatte er vergessen, aber er würde auch so wach bleiben. Hinreichend beschäftigt mit dem Zählen der Minuten bis acht Uhr.
     
    *
     
    Bevor er den Wagen abgab, hielt er bei einem Lebens-mittelladen, dessen Türen gerade geöffnet wurden, und kaufte Obst, Brötchen, Milch und eine Zahnbürste für sie.
    Von der Zentrale hatte er es nicht weit bis nach Hause, und so stand er kurz vor halb neun im Zimmer, wo sie, wie er gehofft hatte, zusammengeringelt und noch kleiner als in seiner Vorstellung schlief.
    Er wollte sie nicht wecken, sah sie nur an und fühlte sich dabei stark und gut und ritterlich. Ihre Zartheit schien durch seine Decke. Er würde sie beschützen.
    Gern hätte er ihre winzigen Finger geküßt oder eines dieser Mäusehändchen an sein Gesicht gehalten, aber er tat nichts dergleichen, sondern ging leise in die Küche, wo er bald, den Kopf auf die Arme gelegt, einschlief.
     
    *
     
    Das Rauschen der Dusche weckte ihn auf. Sie mußte sich direkt neben ihm ausgezogen haben, denn er sah ihre Wäsche und ein T-Shirt über der anderen Stuhllehne hängen. Durch das geriffelte Glas der Kabine war eine vage rosa Erscheinung zu sehen, und nur wenn ein Arm oder Knie dem Glas näher kam, ergab sich ein für kurze Zeit erkennbares Bild.
    Er saß still und hoffte, sie würde sich der Scheibe nähern, aber als er etwas Dunkles zu sehen glaubte, erschien es ihm wie Einbildung. Sofort, als sie das Wasser abstellte, sagte er : »Morgen. Gut geschlafen ?«
    Die Schiebetür öffnete sich einen Spaltbreit, und ihr Arm reckte sich daraus hervor. Eine nasse, nervöse Hand schlenkerte im Leeren herum, und ihre Stimme sagte : »Handtuch.«
    Er reichte es ihr, und sie zog das Handtuch in die Kabine, ohne den Spalt zu verbreitern. Zählten seine Blicke also doch.
    In den Stoff gewickelt, kletterte sie aus der Kabine und setzte sich an den Tisch, während er sich daran machte, das Frühstück herzurichten.

34.
     
    Die Idee, Annes heimlicher Mäzen zu werden, geht ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wenn Rudi sich ein wenig auskennt, müßte das doch gehen. Vielleicht kann man sie aufbauen. Warum denn nicht ? In Rom leben Kunst-käufer, es ist immerhin eine Metropole. Von hier aus wäre New York oder London vielleicht nicht so weit wie von Hamburg. Und womöglich sogar Geld zu verdienen mit ihrer Arbeit, das wäre ein hübscher

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