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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Bild hängt und ob es mit einem Preis oder als unverkäuflich ausgezeichnet ist.
    Und die Unverschämtheit mit der Untervermietung ?
    Wenn er nun seinerseits einfach einen Untermieter rein-setzte ? Oder seinen Schlüssel einem Penner schenkte ?
    Das wäre witzig, würde aber nur Marlies schaden. Außerdem geht das nicht als Toter. Kündigen geht auch nicht. Erst vor kurzem, bei der Verlängerung des Miet-vertrags, haben sie beide als Hauptmieter unterschrieben.
    Er kann gar nichts machen. Als Toter hätte er vielleicht wieder ein Beil in die Kerbe schlagen können. Wäre ein effektvoller Geisterauftritt. Ich muß mal langsam mit notieren anfangen, denkt er, was die Leiche auf Urlaub alles unternimmt.
     
    *
     
    Die Galerie Renners liegt versteckt in einer Art Garten-palais im Hinterhof. Er beobachtet den Ausstellungs-raum eine Weile durchs Fenster, denn falls Anne hier wäre, müßte er später wiederkommen. Er kann ihr auf keinen Fall begegnen. Aber die junge Frau, die eben durch den Raum geht, scheint allein zu sein. Er wartet ein paar Minuten, um sicherzugehen.
    Schon von außen hat er es gesehen. Er tritt ein, grüßt und schlendert von Bild zu Bild. Er kennt jedes, denn für jedes hat er Modell gestanden. So als fange er Feuer, sieht er sich kurz darauf nach einer Preisliste um, mit der er dann seinen Weg langsam fortsetzt. Sein Bild ist unverkäuflich. Soviel Anstand hat sie immerhin.
    Und wenn der Tote nun sein Bild mit ins Jenseits nähme ? Das könnte Anne verstören. Überhaupt, wenn es weg wäre, das gäbe ihr eine Nuß zu knacken. Es gehört ihr nicht. Sie darf es nicht verkaufen. Und auch nicht einfach ausstellen.
    Die junge Frau verschwindet im Nebenraum, wo das Telefon ausdauernd klingelt. Ohne langes Überlegen nimmt er sein Bild vorsichtig von der Wand und tauscht es gegen ein ähnliches, das als verkäuflich ausgezeichnet ist. Sein Herz schlägt bis in die Mandeln, so laut hört er das Quietschen der eigenen Sohlen und so leise die Stimme im Nebenzimmer.
    Als die Frau zurückkommt, sagt er, sich räuspernd, als sei er endlich zu einer Entscheidung gelangt : »Das hier will ich. Aber ich muß es sofort mitnehmen können. Bis zum Abbau der Ausstellung kann ich nicht warten.«
    Die junge Frau wirkt unsicher. »Das ist aber nicht üblich.«
    Er verkneift sich die freche Antwort, hier sei das Verkaufen an sich wohl nicht üblich, denn an keinem einzigen der Bilder klebt ein roter Punkt.
    »Nein wirklich, ich glaube, das geht nicht.«
    »Meinen Sie nicht, die Künstlerin wäre froh, überhaupt was zu verkaufen ?«
    »Tja, vielleicht.« Sie sieht aus, als beherrsche sie nur mit Mühe den Impuls, an ihren Fingernägeln zu kauen.
    »Moment mal, ich kann ja anrufen.«
    Aus dem Nebenzimmer hört er sie fragen, ob Frau Boro zu sprechen sei, und dann, nach einer Pause, ob sie ein Bild direkt aus der Ausstellung verkaufen dürfe.
    »Danke, Herr Hanisch, und grüßen Sie Frau Boro«, sagt sie dann und kommt in den Raum zurück. »Alles klar, es geht, aber Sie müssen bar bezahlen.«
     
    *
     
    Das Taxi winkt er erst heran, als er sicher ist, den Fahrer nicht zu kennen. Er verstaut das gut verpackte Bild auf dem Rücksitz und fährt zum Hauptbahnhof, wo er es als Reisegepäck nach Rom, Stazione Termini, aufgibt.
    Es ist ohne Glas und Rahmen. Ihm wird schon nichts passieren. Die Pappe der Verpackung ist stark.
    Im Hotelzimmer geht er auf und ab und freut sich über den Coup. Anne wird erschrecken. Was, wenn er auftauchte und sein Bild haben wollte ? Dann konnte sie viel erzählen. Wieso sollte er ihr glauben, daß ein Versehen der Galerie an dem Verkauf schuld sei ?
    Für seine Geschichte würde er das Ganze ein wenig umbauen. Da ihn Anne ja für tot hielte, wäre das Bild wie alle anderen als verkäuflich ausgezeichnet worden.
    Aber immer noch gespenstisch genug, daß ausgerechnet dieses und nur dieses von irgendwem gekauft wurde.
    In der Geschichte stünde er jetzt im Hotelzimmer, von fassungsloser Wut über ihre Gefühllosigkeit geschüttelt, und stellte sich vor, wie er sie ohrfeigte, lustvoll und gnadenlos ihren erstaunten Kopf von einer Hand in die andere schlüge. Er muß raus hier, wenigstens große Schritte machen. Egal in welche Richtung.
     
    *
     
    Zum ersten Mal in seinem Leben spricht er eine Hure an. Ein schönes, intelligent aussehendes Mädchen in Jeans und Sweatshirt, das wartend herumsteht, als sei es verabredet.
    »Was sagt der routinierte Freier in so einem Fall ?« fragt er.
    Sie verzieht

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