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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Genie.«
    »Ist das der Prof ?«
    »Mhm.«
    Auf einmal kommt ihm der Plan absurd vor. Wieso sollte Anne ihre Bilder alle auf einmal verkaufen ?
    Zu Preisen von drei-bis fünfhundert Mark ? Aber sie braucht immer Geld. Und etwa fünfzehntausend Mark sind für sie eine beachtliche Summe.
    »Komm«, sagt Rudi, der den Stimmungsumschwung spürt. »Bloß kein Defätismus jetzt. Vielleicht klappts ja.
    Irgendwas machen wir schon draus. Du bringst mir ja schließlich Glück als Partner.«
    »Dito«, sagt Martin.

7.
     
    Sie kam jetzt schon seit einigen Tagen, füllte den Kühlschrank mit Bier und überließ ihm jeden Morgen sein Bett. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie eilig er es hatte, unter die Decke zu schlüpfen, um in ihrer Wärme einzuschlafen.
    Eines Nachmittags wachte er frierend auf und sah sie mit irgendwas beschäftigt am Tisch sitzen. Er zog die Decke über sich, denn er hatte nackt geschlafen, da sagte sie : »Halt, warte. Ich habs gleich.«
    Sie drehte den Block um und zeigte ihm die Skizze.
    Sie hatte ihn gezeichnet.
    »Du warst das beste Modell im Aktsaal«, sagte sie.
    »Seit du nicht mehr kommst, geh ich auch nicht mehr hin.«
    »Hast du etwa meine Decke weggezogen ?«
    »Ja.«
    Er konnte nicht sprechen vor Zorn. Er stand auf, zog sich an und ging in die Küche, um Kaffee aufzusetzen.
    Kurze Zeit später kam sie hinterher. Sie schien seinen Ärger zu spüren, denn sie legte ihre Hand auf seinen Arm und sagte : »Komm schon. Ich bestehl dich doch nicht.«
    »Und ob du das tust.« Seine Stimme klang lauter, als ihm recht war : »Du nimmst mich einfach, ohne zu fragen. Was ist das, wenn nicht stehlen ?«
    »Also nehmen«, sie lachte, »unter nehmen stellt man sich aber was anderes vor.«
    Ihm war nicht nach Lachen zumute. »Ich werde gefragt, wenn man mich zeichnet. Normalerweise sogar bezahlt.«
    Er wußte, was sie jetzt tun würde, und fiel ihr in den Arm. »Kannst du stecken lassen. Wenn du hier mit einem Zehnmarkschein wedelst, kannst du gleich gehen.«
    Für einen Augenblick sah es aus, als wolle sie wütend aus der Küche rennen, aber dann gelang es ihr, sich zu fassen, und sie lachte wieder. Wenn auch ein wenig künstlich.
    »Es wär ein Fünfziger gewesen, und ich bitte dich darum, mir zu sitzen. Es ist wichtig für mich. Ich brauch dich.«
    »Als Modell ?«
    Sie nickte.
    »Dann dreh beim nächstenmal die Heizung hoch.«
    Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, zog ihn zu sich herab und küßte ihn schmatzend auf den Mund.
    Dann half sie ihm, Spaghetti zu kochen, und schnitt alle Tomaten und Zwiebeln klein.
     
    *
     
    Später in der Nacht kam sie zum Taxistand, klopfte an sein Wagenfenster und stieg auf der Beifahrerseite ein.
    »Davon hab ich wochenlang geträumt«, sagte er und legte die Hände aufs Lenkrad. Und wieder sah sie ihn an, als seien Bemerkungen dieser Art nicht vorgesehen.
    Sie schwieg und lehnte sich in den Sitz zurück.
    Er hängte den Gebührenzähler ab und fragte, wohin sie wolle. Dann startete er den Wagen und fuhr los.
    »Zu mir«, sagte sie. »Durchschnitt zehn. Weißt du wo ?«
    »Geht von der Grindel ab«, sagte er, stolz auf den noch frisch gespeicherten Stadtplan in seinem Kopf.
    »Warte bitte«, sagte sie dort, stieg aus und verschwand in dem dunklen Mietshaus. Nach wenigen Minuten kam sie mit einer Plastiktüte in der Hand wieder heraus. »Das Arschloch ist tatsächlich ausgezogen. Bin ich froh.«
    »Wer ?«
    »Schon vergessen. Wenn ich das neue Türschloß hab, lad ich dich zu mir ein. Aber vorher trau ich mich nicht nach Hause.«
    »Ist der so gefährlich ?«
    »Ich will nicht von ihm reden.«
    »Dann werd ich nicht weiter in dich dringen.« Nach diesem Satz hing ein so deutliches Schweigen in der Luft, daß Martin bei der nächsten Gelegenheit, die ihm der Verkehr ließ, den Kopf wandte. Sie grinste übers ganze Gesicht.
    »Nicht in mich dringen, häh ?«
    Bei sich zu Hause setzte er sie ab, und als er den Tacho wieder anhängte, sagte sie : »Du bist ein höflicher Mensch. Und ich bin dir dankbar. Bis Morgen.«
    Er wartete noch, bis oben in der Wohnung die Lichter angingen, dann fuhr er los, zurück zum Taxistand.
    In dieser Nacht war viel zu tun, er stand nie länger als eine Viertelstunde, aber die Zeit verging von ihm fast unbemerkt, denn Annes »Nicht in mich dringen, häh«
    kreiste ihm wie Musik im Kopf. Dieser Satz schaffte, was die Lupe nicht vermocht hatte.
     
    *
     
    Die letzten beiden Male war sie wach gewesen, wenn er nach Hause kam. Wollte

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