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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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nicht dreimal. Dass diese Bohnenstange vor ihrer Tür herumtrippelte, um ihr häusliches Glück auszuspionieren, verhieß nichts Gutes. Sie erschauerte. Sie streift um uns herum, schnüffelt, sucht etwas. Lauert auf eine Gelegenheit. Sie blockiert die Scheidung mit ihren Forderungen. Gibt keinen Zoll Boden preis. Droht hier, droht da. Achtung, Gefahr, Alarmstufe Rot. Josiane war immer in Armen gelandet, die sie ins Unglück zerrten, aber jetzt, wo sie endlich in einen sicheren Hafen eingelaufen war, würde sie sich nichts mehr nehmen oder zerstören lassen. Vorsicht, flüsterte eine Stimme, die sie nur zu gut kannte. Vorsicht, hab ein Auge auf alles, was sich bewegt und nach Misthaufen stinkt.
    Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihrer Versunkenheit. Sie streckte die Hand aus und ging ran.
    »Hallo«, sagte sie, noch immer im düsteren Sog ihrer Gedanken.
    Es war Joséphine, Henriette Grobz’ jüngere Tochter.
    »Wollen Sie mit Marcel sprechen?«, fragte sie kühl und reichte ihm das Telefon.
    Wenn man sich mit einem Mann dieses Alters einlässt, muss man ihn mit seinem ganzen Ballast nehmen. Und Marcel hatte die komplette Sammlung: von der Pillenschachtel bis hin zum Schrankkoffer. Henriette, Iris, Joséphine, Hortense und Zoé hatten ihm so lange als Familie gedient, dass sie sie nicht einfach beiseite schieben konnte. Obwohl sie das nur zu gerne getan hätte.
    Marcel wischte sich den Mund ab und stand auf, um das Telefon entgegenzunehmen. Josiane zog es vor, den Raum zu verlassen. Sie ging in die Waschküche und holte die Wäsche aus dem Korb. Begann sie in Weiß und Bunt zu sortieren. Hausarbeit beruhigte sie. Henriette, Joséphine. Wer würde als Nächste aus der Versenkung auftauchen? Die kleine Hortense? Die die Männer zu Hampelmännern machte?
    »Das war Jo«, sagte Marcel von der Tür aus. »Ihr ist da was Komisches passiert: Ihr Mann, Antoine …«
    »Der von einem Krokodil gefressen wurde?«
    »Genau der … Stell dir vor, Zoé, ihre Tochter, hat eine Postkarte von ihm bekommen. Abgeschickt letzten Monat in Kenia. Er lebt!«
    »Und was hat das mit dir zu tun?«
    »Ich hatte mich im Juni mit Antoines Freundin, einer gewissen Mylène, getroffen, um ihr ein paar Tipps zu geben, wie man mit Chinesen Geschäfte macht. Sie wollte einen Kosmetikhandel aufziehen, hatte einen chinesischen Investor an der Hand und brauchte ein paar praktische Informationen. Wir haben eine Stunde geredet, danach habe ich sie nie wieder gesehen.«
    »Bist du dir da sicher?«
    Marcels Augen leuchteten auf. Er liebte es, wenn Josiane eifersüchtig wurde. Dann fühlte er sich wieder jung, dann stiegen die Säfte …
    »Hundertprozentig!«
    »Und Joséphine wollte, dass du ihr die Nummer von dem Mädel gibst …«
    »Genau. Ich habe sie irgendwo im Büro.«
    Er stockte kurz und klopfte nachdenklich an den Türrahmen.
    »Wir könnten sie doch demnächst mal zum Essen einladen, ich mochte die Kleine immer gern …«
    »Die Kleine? Sie ist älter als ich!«
    »Ach was, du übertreibst! Ein, zwei Jahre vielleicht.«
    »Ein, zwei Jahre sind älter! Es sei denn, du zählst rückwärts«, versetzte Josiane pikiert.
    »Aber ich kenn sie doch von klein auf, Choupette! Damals hatte sie noch Zöpfchen und spielte mit Diabolos! Ich hab den kleinen Fratz aufwachsen sehen.«
    »Du hast recht! Ich bin heute ein bisschen angespannt. Ich weiß auch nicht, wieso … Es geht uns zu gut, Marcel, es geht uns einfach zu gut. Irgendwann wird ein kohlschwarzer Rabe über uns kommen, ein stinkender, krächzender Unglücksbote.«
    »Ach was! Nicht doch! Wir haben unser Glück doch nicht gestohlen. Jetzt sind wir endlich mal an der Reihe, die Korken knallen zu lassen.«
    »Und seit wann geht’s im Leben bitte schön moralisch zu? Seit wann ist es gerecht? Wo hast du das denn her?«
    Sie legte eine Hand auf Marcels Kopf und rubbelte seine Glatze. Er ließ sie gewähren und schnaubte unter ihrer Liebkosung.
    »Schon wieder die Liebe, Choupette, schon wieder … Ich liebe dich so sehr, dass ich mein linkes Ei für dich hergeben würde.«
    »Nicht das rechte?«
    »Das linke für dich und das rechte für Junior …«
    Iris tastete nach ihrem Spiegel, doch sie fand ihn nicht. Wütend richtete sie sich auf. Sie hatten ihn ihr gestohlen. Sie hatten Angst, sie würde ihn zerschlagen und sich die Pulsadern aufschneiden. Für wen halten die mich eigentlich? Für eine durchgeknallte Irre, die sich selbst in Stücke schneidet? Und selbst wenn, warum sollte ich nicht das

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