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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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von General Motors hatten die Provinz Guangxi bereist und die Käufer von Kleinlastern zu Hause auf ihren Bauernhöfen besucht. Sie hatten sich auf den Bürgersteig gesetzt und mit ihnen darüber gesprochen, was ihnen an ihrem Fahrzeug gefiel und was nicht. Sie hatte es genauso gemacht wie General Motors. Hatte in holprigem Englisch mit den Chinesinnen geplaudert und herausgefunden, dass das einzige Schönheitsprodukt, von dem sie träumten, ein Mittel zur Hautaufhellung war. White, white , wiederholten sie immer wieder und berührten dabei ihre Wangen. Sie waren bereit, ihren gesamten Lohn für ein Tiegelchen weißer Creme zu opfern. Und so war ihr eine geniale Idee gekommen: Sie hatte eine Creme entwickelt, die als Foundation und Aufheller zugleich diente. Mit einem bisschen Ammoniak drin. Nur einem ganz kleinen bisschen. Sie war sich nicht sicher, ob das so gut für die Haut war, aber es funktionierte. Und Mister Wei hatte eingewilligt, ihr Partner zu werden.
    Hier war alles so unkompliziert. Man konnte produzieren, was immer man wollte, es genügte, genau zu erklären, was man wollte, und auf ging’s! Die Fließbänder setzten sich in Bewegung. Selbstkostenpreis, Verkaufspreis, Gewinn, wie viel, how much , die Rechnung war einfach. Vertrag unnötig. Sie machten keine Tests. Es interessierte sie nicht, ob das Produkt gut verträglich war oder nicht. Ein erster Versuch, und wenn er erfolgreich war, starteten sie die Produktion.
    Mister Wei hatte die Creme an den Arbeiterinnen einer Fabrik ausprobiert. Innerhalb weniger Minuten hatten sie seine Vorräte geplündert. Er hatte beschlossen, den Verkauf erst auf die ländlichen Regionen zu konzentrieren und das Produkt später übers Internet zu vertreiben. Er hatte die Augen zu Spardosenschlitzen zusammengekniffen und ihr erklärt, dass siebenhundertfünfzig Millionen Chinesen auf dem Land lebten, dass ihr Durchschnittseinkommen unaufhörlich steige, dass sie ihre Zielgruppe seien. Dann hatte er Wahaha als Beispiel genannt, den größten Getränkeproduzenten des Landes, der auch auf dem Land angefangen hatte. Wahahas Marketingstrategie bestand darin, ihr Logo auf unzählige Dorfmauern malen zu lassen. Mylène hatte die Augen geschlossen und sich ganze Strohlehmwände mit der französischen Königslilie verziert vorgestellt. Gerührt hatte sie an Ludwig XVI . gedacht. Es fühlte sich an, als brächte sie ihn zurück auf den Thron.
    »Die internationalen Konzerne haben gewaltige Mängel, was die Verteilung im ländlichen China betrifft«, hatte Mister Wei betont. »Wir dürfen es nicht den westlichen Firmen gleichtun und uns nur auf die Städte beschränken.«
    Sie vertraute ihm. Er kümmerte sich um die Produktion, sie um die Entwicklung. Fünfunddreißig Prozent für jeden von ihnen und der Rest für die Zwischenhändler. Damit sie unser Produkt wirkungsvoll präsentieren. Man muss sie schmieren. So läuft das bei uns, erklärte er mit seiner näselnden Stimme. Manchmal setzte sie zu einer Frage an. Dann hustete er, laut und missbilligend, als verböte er sich eine Einmischung in seinen Bereich. Ich muss mich in Acht nehmen, dachte sie, darf nicht alles auf eine Karte setzen. Marcel Grobz hatte ihr geholfen. Ich werde ihn noch mal anrufen, man kann nicht vorsichtig genug sein. Aber ich darf es mir auch nicht mit Mister Wei verscherzen, er gibt mir lukrative Investmenttipps. Er hatte mir geraten, Aktien des Versicherungsunternehmens China Life zu kaufen, deren Wert sich schon am ersten Handelstag mehr als verdoppelt hat! Auf die Idee wäre ich alleine nie gekommen.
    Dabei mangelte es ihr beileibe nicht an Ideen. Heute Morgen hatte sie beim Aufstehen einen Geistesblitz gehabt, einfach so: ein Handy, kombiniert mit Foundation und Lippenstift. Auf der einen Seite die Tastatur und im Gehäuse ein Make-up-Fach. Ist das nicht genial? Ich sollte die Idee zum Patent anmelden. Darf nicht vergessen, den Anwalt von Marcel Grobz anzurufen. Guten Tag, ich bin’s, die Tochter von Einstein und Estée Lauder! Jetzt musste sie darüber nur noch ein Wörtchen mit dem Durchtriebenen Mandarin wechseln.
    Er flog morgen nach Kilifi. Sie würde nach seiner Rückkehr mit ihm reden. Er hatte einen neuen Geschäftsführer für den Croco Park gefunden. Einen brutalen Holländer, den es einen Dreck kümmerte, ob die Krokodile die Arbeiter fraßen. Die Tiere hatten endlich wieder angefangen, sich zu paaren. Er hatte sie ausgehungert, damit ihre natürlichen Instinkte wieder die Oberhand gewannen

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