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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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heiß genug war, hatte sie sich unvermittelt gefragt, ob der Bettler auch an seinem Platz saß. Von plötzlicher Furcht erfasst, wollte sie sich auf der Stelle vergewissern, dass ihre tägliche Ration gesichert sei. Dabei hatte sie das heiße Glätteisen heruntergerissen, es war auf ihren Oberschenkel gefallen und hatte sie böse verbrannt. Ganze Hautfetzen lösten sich von ihrem Bein, als sie das rot glühende Eisen wegzog. Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus, rannte hinunter zu ihrer Concierge, zeigte ihr ihre Verletzung und beschwor sie, bei der Apothekerin an der Ecke eine Salbe oder zumindest einen guten Rat zu holen. Da hatte die gute Frau, der sie früher ihre abgelegten Sachen geschenkt hatte, sie in ihre Loge geführt, zum Telefon gegriffen und mit geheimnisvoller Miene eine Nummer gewählt.
    »In ein paar Minuten hört es auf zu brennen, und in einer Woche ist die Haut wieder schön glatt und rosig!«, hatte sie ihr versichert, während sie verschwörerisch auf die Wählscheibe klopfte.
    Dann hatte sie ihr den Hörer gereicht.
    Und genauso war es gekommen. Wie durch Zauberhand verschwand der glühende Schmerz, und das geschwollene Fleisch glättete sich. Jeden Morgen begutachtete Henriette aufs Neue verblüfft diese Blitzheilung.
    Es hatte sie jedoch fünfzig Euro gekostet, und wie sehr sie auch das Gesicht verzogen hatte, die Heilerin am anderen Ende der Leitung war hart geblieben. Das war ihr Preis. Ansonsten würde sie ins Telefon blasen, und der Schmerz käme zurück. Henriette hatte versprochen zu zahlen. Als sie später selbst im Besitz der kostbaren Nummer war, hatte sie diese Frau angerufen, die sie im Stillen bereits »die Hexe« nannte. Sie hatte sich bei ihr bedankt, hatte sich erkundigt, an welche Adresse sie den Scheck schicken solle, und hatte schließlich, als sie schon wieder auflegen wollte, das Angebot gehört: »Falls Sie noch andere Dienste benötigen …«
    »Was behandeln Sie denn noch außer Verbrennungen?«
    »Verstauchungen, Insektenstiche, Gifte, Gürtelrose …«
    Sie leierte einen ganzen Katalog von Dienstleistungen herunter.
    »Verschiedenste Entzündungen, Ausfluss, Hautausschlag, Asthma …«
    Henriette hatte sie unterbrochen. Wie ein Blitz war ihr ein Gedanke gekommen: »Und was ist mit Seelen? Behandeln Sie auch Seelen?«
    »Ja, aber das ist teurer … Liebeszauber, Depressionen, Geisteraustreibung, Fluchauflösung …«
    »Und Sie verfluchen auch?«
    »Ja, aber das ist noch teurer. Denn ich muss mich schützen, wenn sich die negativen Auswirkungen nicht gegen mich selbst wenden sollen …«
    Henriette hatte überlegt. Und einen Termin vereinbart.
    Und so hatte sie eines schönen Tages kurz vor den Feiertagen, die ihre Einsamkeit und Mittellosigkeit schmerzhaft unterstreichen würden, Chérubine aufgesucht. In einem heruntergekommenen Haus im zwanzigsten Arrondissement. Rue des Vignoles. Kein Aufzug, grüner, mit Flecken und Löchern übersäter Teppichboden, der Geruch von abgestandenem Kohl, eine Wohnung im dritten Stock, wo über der Klingel ein Schild hing: » Läuten Sie hier, wenn Sie verloren sind. « Eine dicke Frau öffnete ihr. Sie betrat eine winzige Wohnung, die die Leibesfülle ihrer Besitzerin kaum zu fassen vermochte.
    In Chérubines Wohnung war alles rosa. Rosa und herzförmig. Die Kissen, die Stühle, die Bilderrahmen an der Wand, die Schalen, die Spiegel und die Krepppapierblumen. Sogar Chérubines glänzende, gewölbte Stirn war von kleinen, sorgfältig mit Pomade geformten Herzlöckchen eingerahmt. Ihre teigigen, schlaffen Arme schauten aus einem weiten Umhang aus rosa Schals heraus. Henriette hatte das Gefühl, im Wohnwagen einer fettleibigen Zigeunerin zu Besuch zu sein.
    »Hat sie mir ein Foto mitgebracht?«, fragte Chérubine, während sie auf einem Bridgetisch, über den eine rosafarbene Decke gebreitet war, rosafarbene Kerzen anzündete.
    Henriette zog ein Ganzkörperfoto von Josiane aus der Handtasche und legte es vor die dicke Frau, deren Busen sich pfeifend hob und senkte. Sie war sehr blass und hatte nur spärliches Haar. Wahrscheinlich bekam sie zu wenig Licht. Henriette fragte sich, ob sie jemals ihre Wohnung verließ. Vielleicht ist sie eines Tages hier hereingekommen und konnte dann aufgrund ihres Umfangs und der schmalen Räumlichkeiten nicht mehr hinaus?
    Während Chérubine ein Nähkästchen unter dem Tisch hervorzog, hob Henriette den Blick und entdeckte auf der Ecke einer Kommode eine große Statue der Jungfrau Maria, die

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