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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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bin der Inbegriff der französischen Eleganz! Ihre Modenschau war die raffinierteste, die einfallsreichste, die perfekteste von allen gewesen. Keine Effekthascherei, keine Plastikkonstruktionen, Kartonkrinolinen, starre Masken, nur klare Linien und untadeliger Schnitt! Sie kultivierte keine Pseudorebellion, sondern stellte sich in die Tradition einer Mademoiselle Chanel oder eines Yves Saint Laurent. Sie schloss die Augen und sah noch einmal den Ablauf ihrer Sex is about to be slow -Show vor sich, die geschmeidigen Bewegungen der Models, die fließenden, perfekt fallenden Stoffe, die von Nicholas vorbereitete Hintergrundmusik, die Fotografen neben dem Laufsteg und den langsamen Reigen der sechs Models, die dieses blasierte, bis zum Überdruss an Schönheit gewöhnte Publikum verzückt aufseufzen ließen. Ich werde die Schule besuchen, aus der schon John Galliano, Alexander McQueen, Stella McCartney und Luella Bartley, der neue Star der New Yorker Fashionszene, hervorgegangen sind. Ich, Hortense Cortès! Woher habe ich bloß diese unglaubliche Genialität?, fragte sie sich und strich versonnen über das Laken.
    Sie hatte es geschafft. Schlaflose Nächte und graue Tage, die rastlose Jagd nach exakt der Spitze, exakt der Borte, exakt jenem Plisseestoff, den sie haben wollte. Nähen und auftrennen, alles glatt bügeln, wieder von vorn anfangen. Rote Augen, zitternde Hände, das schaffe ich nie, ich werde nie rechtzeitig fertig, dieser Entwurf war keine gute Idee. Und was ist mit dem da? Er ist nicht stimmig! Und an welche Stelle setze ich dieses Kleid, kommt es als zweites, als drittes? Doch dann war alles zum Leben erwacht, war zum Traum geworden. Nicholas hatte es geschafft, dass Kate Moss, die Kate Moss, für sie lief. In einem Gewitter aus weißem und schwarzem Licht, mit einer hohen Perücke auf dem Kopf und einer Halbmaske aus schwarzem Satin vor den Augen hatte sie das letzte Modell präsentiert, sich am Ende des Laufstegs mit einem Ruck die Maske vom Gesicht gerissen, sich in Pose gestellt und dabei »Sexxx izzz about to be slooow« gehaucht. Ein wahrer Begeisterungssturm war losgebrochen. Sex is about to be slow war zum Kultsatz geworden. Ein T-Shirt-Hersteller hatte ihr angeboten, auf der Stelle tausend Exemplare damit zu bedrucken, die abends auf der Party in der Schule verteilt worden waren, und die Gäste hatten sich darum gerissen.
    Immer nur her zu mir, Gucci, Yves Saint Laurent, Chanel, Dior, Ungaro. Sie hatten Vertreter zu Saint Martins geschickt, sie haben mir gratuliert und mir versprochen, mich einzustellen, wenn ich mein Studium abgeschlossen habe. Sie hatte sich die Angebote mit gelangweilter Miene angehört, »Sprechen Sie darüber mit meinem Agenten« geantwortet und mit dem Kinn auf Nicholas gedeutet. Und morgen … morgen Nachmittag habe ich einen Termin bei Jean-Paul Gaultier höchstpersönlich, kreischte sie und strampelte unter der Decke mit den Beinen. Er wird mir bestimmt ein Praktikum für diesen Sommer anbieten … Und ich werde »Ja« murmeln, »vielleicht, ich muss darüber nachdenken.« Und zwei Tage später werde ich zusagen und all die wundervollen Kreationen dieses Mannes in mich aufsaugen, in dessen Augen die Funken eines nimmersatten Genies sprühen.
    Ich bin glücklich, glücklich, glücklich!
    Natürlich hatte es auch einen Missklang gegeben, einen einzigen: diese blöde Kuh Charlotte Bradsburry am Laufsteg, die sich für ihr Käseblatt Notizen machte und verächtlich das Gesicht verzog, als alle anderen applaudierten. Irritiert von Garys Überschwang, der laut Beifall klatschte und vor Begeisterung aufsprang. Es hatte sich angefühlt wie ein Faustschlag in den Magen, als sie ihn in der ersten Reihe neben der Bradsburry hatte sitzen sehen. Er hatte mehrere Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen. Sie hatte nicht darauf reagiert. Ihn ignorieren: ein höfliches Lächeln, als sie sich vor dem Publikum verbeugt hatte, aber kein verschwörerisches Zwinkern in Garys Richtung. Im Gegenteil! Sie hatte Nicholas auf den Laufsteg geholt, hatte ihn umarmt und geflüstert: »Küss mich, küss mich.«
    »Hier? Vor allen Leuten?«
    »Hier. Jetzt sofort. Wie ein richtiges Paar.«
    »Und was bekomme ich dafür?«
    »Was du willst.«
    Und so hatte sie ihm versprochen, mit ihm eine Kreuzfahrt nach Kroatien zu machen. Nach dem Praktikum bei Gaultier, wenn es denn eines geben sollte.
    Er hatte sie geküsst. Gary hatte den Blick gesenkt. Touché, hatte sie geknurrt und die Lippen zu einem

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