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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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»Zoé!«, schrie sie. »Wo bleibst du denn?«
    Außer Atem kam Zoé zurück und hielt Hortense die übrigen Briefe von ihrem Vater hin. Hortense betrachtete die Umschläge. Die ersten kamen tatsächlich aus Mombasa, aber die anderen waren in Paris, Bordeaux, Lyon und Straßburg eingeworfen worden.
    »Findest du das nicht komisch? Er wird von einem Krokodil zerfleischt und macht jetzt einen auf Weltenbummler …«
    »Vielleicht wird er in verschiedenen Krankenhäusern behandelt …«
    Zoé zupfte an ihren Zehen, um sich abzulenken und nicht in Tränen auszubrechen.
    »Ich will nicht, dass er tot ist …«
    »Ich doch auch nicht! Aber ich war dabei, als Mylène Maman davon erzählt hat. Und die französische Botschaft hat eine Untersuchung eingeleitet, die zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen ist: Er ist tot. Punkt. Mylène ist in China. Sie gibt ihre Briefe irgendwelchen französischen Geschäftsleuten mit, die sie einwerfen, wenn sie wieder zu Hause sind …«
    »Bist du sicher?«
    »Das Einzige, was ich nicht verstehe, ist: Warum macht sie das? Denn ja, ich bin mir sicher, dass sie es ist. Sie hat sich verraten. Mit dem Braten und den Rechtschreibfehlern. Komm, wir reden mit Maman darüber.«
    Sie gingen zu Joséphine, die gerade im Wohnzimmer aufräumte, während Du Guesclin ihr auf Schritt und Tritt folgte. Mein Gott, dieser Hund ist eine Klette! Den würde ich keine zwei Minuten ertragen, dachte Hortense. Und dann sieht er auch noch so unmöglich aus! Jedes Mal, wenn sie ihn sah, verspürte sie den Drang, ihm einen Fußtritt zu verpassen.
    »Ich möchte euch wirklich bitten, eure Sachen nicht überall herumliegen zu lassen! Das ist kein Wohnzimmer mehr, das ist eine Müllhalde! Und ist euch schon einmal aufgefallen, wie spät ihr aufsteht?«
    »Bleib cool, Maman! Jetzt lass mal das Aufräumen, setz dich hin und hör mir zu …«, befahl Hortense.
    Mit hängenden Schultern und leerem Blick setzte Joséphine sich hin.
    »Was ist denn los?«, fragte Hortense, beeindruckt von der mangelnden Energie ihrer Mutter. »Du siehst ja total fertig aus …«
    »Nichts. Ich bin nur müde.«
    »Okay. Hör zu.«
    Und Hortense erzählte. Von den Briefen, den Poststempeln, dem Braten, den Rechtschreibfehlern.
    »Das stimmt, euer Vater achtete sehr auf die Orthografie … Ich übrigens auch.«
    »Also schließe ich daraus, dass er die Briefe nicht selbst geschrieben hat …«
    »Hmm …«, antwortete Joséphine geistesabwesend.
    »Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
    Joséphine richtete sich auf, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte langsam den Kopf, als versuchte sie, sich eine Meinung zu bilden.
    »Maman, reiß dich zusammen! Es geht hier nicht um den neuesten Minirock von Victoria Beckham oder darum, dass Britney Spears sich die Haare abrasiert hat, sondern um deinen Mann …«
    »Du behauptest also, er habe die Briefe gar nicht selbst geschrieben?«, sagte Joséphine, und es schien, als kostete es sie unendliche Mühe, Interesse für das Gespräch aufzubringen.
    »Was hast du denn, Maman? Bist du krank?«, fragte Zoé beunruhigt.
    »Nein. Nur müde. So müde …«
    »Also gut, dann weiter …«, fuhr Hortense fort. »Papa hat die Briefe nicht geschrieben, sondern Mylène. Sie hat früher schon immer seine Schrift nachgemacht. Am Ende war er dermaßen neben der Spur, dass sie für ihn ins Büro ging, die Register ausfüllte und die Lieferscheine unterschrieb, damit der Chinese ihn nicht hochkant rauswarf. Ich weiß das, weil ich mir Sorgen um ihn machte. Ich dachte mir, dass es ihm verdammt schlecht gehen müsse! Einmal habe ich ihr sogar gesagt, dass sie echt begabt sei und seine Schrift perfekt nachmache, und da hat sie geantwortet, dass der Beruf einer Maniküre sehr viel Sorgfalt erfordere, sie dadurch gelernt habe, Schriften zu imitieren, und ihr das im Leben oft sehr nützlich gewesen sei … Was sagst du dazu?«
    »Ich sage, es ist kompliziert …«
    Joséphine verstummte kurz, spielte nervös mit ihren Fingern und fügte dann kläglich hinzu: »Ich habe euch nicht alles gesagt. Es gab noch andere Hinweise auf euren Vater.«
    Und sie erzählte ihnen von dem Mann im roten Rollkragenpullover, den sie in der Métro gesehen hatte.
    »Aber das ist doch genau das Gleiche! Es ist einfach nicht möglich! Er hasste Rot«, brauste Hortense auf. »Er fand die Farbe gewöhnlich. Er hätte niemals einen roten Pullover angezogen, lieber wäre er nackt rumgelaufen. Und dann auch noch einen Rollkragenpullover! Kaum zu

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