Der langsame Walzer der Schildkroeten
…«
»Aber er ist verheiratet«, protestierte Zoé. »Und er hat drei Kinder!«
»Er hat mich zum Essen eingeladen, in ein absolut fantastisches Restaurant im Hotel Lancaster. Da schwinden dir bei jedem Bissen vor Begeisterung die Sinne. Und danach sind wir noch ein bisschen spazieren gegangen, Champs-Élysées, Avenue Montaigne, und in jedem Laden hat er mich mit Geschenken überhäuft! Ein richtiger Märchenprinz!«
»Märchenprinzen gibt’s nur im Märchen!«, erklärte Hortense kategorisch.
»Er ist aber ganz real! Er behandelt mich wie eine Prinzessin. Er ist höflich, aufmerksam, verschlingt mich mit Blicken … Und dazu sieht er auch noch so unglaublich gut aus!«
»Er ist verheiratet und hat drei Kinder«, wiederholte Zoé.
»Bei mir vergisst er alles andere!«
»Tolle Einstellung«, seufzte Zoé.
»Ich bringe meine Sachen in mein Zimmer …«
»Das ist mein Zimmer«, schimpfte Zoé, als Iris fort war. »Ihretwegen schlafe ich jetzt in Mamans Arbeitszimmer, und Maman arbeitet in ihrem Schlafzimmer!«
»Magst du sie nicht?«
»Ich finde, sie behandelt Maman nicht gut. Sie tut gerade so, als wäre sie hier zu Hause! Sie lässt ihren Personal Trainer kommen, lädt Henriette ein, telefoniert stundenlang mit ihren Freundinnen … Als wären wir ein Hotel, und Maman sagt nichts dazu.«
»Maman hat Henriette wiedergesehen?«
»Sie haben einmal zu dritt zu Abend gegessen, aber danach haben wir sie nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
»Mann, hier geht ja echt was ab, wenn ich nicht da bin!«
Iris holte ihre Einkäufe aus den Tüten und legte sie aufs Bett. Bei jedem Kleidungsstück rief sie sich Hervés Blick in Erinnerung. Sie lachte leise, als sie das geschmeidige Leder einer Handtasche von Bottega Veneta streichelte. Eine große gesteppte Shopping Bag aus silbernem Leder. Ein Traum! Sie hatte sich unter anderem ein elfenbeinfarbenes Baumwollkleid mit dazu passenden Sandalen ausgesucht. Das Kleid hatte einen tiefen Schalkragen, eine schmale Taille und weitete sich zu einem schwingenden Glockenrock. Es stand ihr fantastisch. Es könnte ein Brautkleid sein …
Sie hatten einander beim Essen nicht aus den Augen gelassen. Er hatte ihr von seinen Geschäften erzählt. Hatte ihr erklärt, wie der fünftgrößte Kunststoffhersteller der Welt den viertgrößten aufkaufte, um vielleicht die Nummer eins weltweit zu werden. Dann hatte er gestottert: »Aber ich langweile Sie bestimmt. Man sollte in Gegenwart einer schönen Frau nicht übers Geschäft reden! Lassen Sie uns gleich ein wenig einkaufen gehen, zum Ausgleich dafür, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben …« Sie hatte nicht Nein gesagt. Der Gipfel der Männlichkeit war in ihren Augen ein Mann, der sie mit Geschenken überhäufte. Er hatte sich an einem Taxistand mit einem Handkuss von ihr verabschiedet. »Ich muss jetzt leider wieder zurück an die Arbeit!« Was für ein wundervoller Mann!
Seine ersten Geschenke. Er wurde kühner. Bald wären sie beim ersten Kuss, der ersten gemeinsamen Nacht, vielleicht einem Wochenende! Um schließlich mit einem Hochzeitsmarsch und dem Ring am Finger zu enden! Ach, was ist das Leben schön! Natürlich würde sie nicht in Weiß heiraten können, aber das elfenbeinfarbene Kleid wäre perfekt. Wenn sie im Sommer heirateten … Sie ließ sich rückwärts aufs Bett fallen und drückte das Kleid an sich.
Sie musste nur etwas Geduld haben. Er war nicht der Typ, der eine Frau hastig in einer Ecke besprang oder sie bedrängte. Er rief sie morgens an, fragte, ob sie Zeit habe, mit ihm zu Mittag zu essen, verabredete sich mit ihr in einem Restaurant und verhielt sich so galant, dass niemand auch nur auf den Gedanken käme, dass sie ein Paar waren. Aber wir sind doch auch noch kein Paar! Er hat mich immer noch nicht geküsst. Er hatte angeregt, irgendwann einmal mittags im Park von Saint-Cloud zu essen. Da ist es im Sommer sehr angenehm, wir könnten spazieren gehen. Sie hatte verstanden, dass er sie dort küssen würde, und war rot geworden. Mit ihm verspürte sie wieder die beglückenden Gefühlsregungen eines Teenagers.
Manchmal fiel es ihr schwer, ihren Ärger über Joséphine zu verbergen. Ihr Mangel an Selbstbewusstsein und ihre Ungeschicklichkeit nervten sie maßlos. Und auch den Skandal um das Buch konnte sie ihr immer noch nicht ganz verzeihen. Immerhin hat sie es mir zu verdanken, dass ihr Bankkonto mittlerweile so prall gefüllt ist! Sie verspürte Jo gegenüber eine eifersüchtige Abneigung. Manchmal
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