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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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erkennen, dass ich mich ihm ergebe. Hervé, werde ich sagen, ich habe auf Sie gewartet, und ich habe verstanden. Tun Sie mit mir, was Sie für richtig halten. Ich verlange nichts, nichts als den Druck Ihrer Hände auf meinem Körper, die mich formen wie einen Klumpen Ton. Und wenn das immer noch zu viel ist, dann gebieten Sie mir zu warten, und ich werde warten. Ich werde diese Räume nicht verlassen und den Blick senken, wenn Sie kommen. Ich werde trinken, wenn Sie es mir befehlen, ich werde essen, wenn Sie es anordnen, ich werde mich von meinen bedeutungslosen Wutanfällen, von meinen Kleinmädchenlaunen reinigen.
    Sie seufzte, und ihr Glück war so überwältigend, dass sie ohnmächtig zu werden glaubte.
    Er hat mich lieben gelehrt. Dieses unaussprechliche Glück, das ich suchte, indem ich immer neue Besitztümer anhäufte, während ich mich hätte aufgeben sollen, während ich hätte geben, alles hätte loslassen sollen … Er hat mir meinen Platz im Leben gezeigt. Ich werde das elfenbeinfarbene Kleid anziehen, das er mir gekauft hat, mein Haar mit einem Band zurückbinden, mich neben die Tür setzen und auf ihn warten. Er wird nicht anrufen. Er wird an der Tür klingeln. Ich werde öffnen, den Blick gesenkt, das Gesicht ungeschminkt, und ich werde sagen …
    Die Stunde der Wahrheit rückte näher.
    Den ganzen Tag über horchte sie auf seine Schritte, griff immer wieder nach ihrem Handy, um sich zu vergewissern, dass es auch funktionierte.
    Er kam nicht.
    Am nächsten Morgen klingelte Iphigénie an der Tür.
    »Ist Madame Cortès nicht da?«
    »Sie ist weggefahren, um sich zu erholen.«
    »Ach so«, entgegnete Iphigénie enttäuscht.
    »Das Haus muss völlig leer sein«, sagte Iris, um das stockende Gespräch in Gang zu bringen.
    »Es ist niemand mehr da, bis auf Sie und Monsieur Lefloc-Pignel, der gestern Abend zurückgekommen ist.«
    Iris’ Herz machte einen Satz. Er war wieder da. Er würde sie anrufen. Sie schloss die Tür und ließ sich, benommen vor Glück, dagegen sinken. Ich muss mich vorbereiten. Niemand darf sich mehr zwischen uns drängen.
    Sie lief hinaus ins Treppenhaus, rief Iphigénie zurück und erklärte, dass sie für ein paar Tage zu einer Freundin fahren werde. Sie solle die Post in der Loge aufbewahren. Iphigénie zuckte mit den Schultern und wünschte ihr »schönen Urlaub, das wird Ihnen guttun«.
    Der Kühlschrank war voll, sie würde die Wohnung nicht zu verlassen brauchen.
    Sie duschte, zog das elfenbeinfarbene Kleid an, band ihr Haar zusammen, entfernte ihren roten Nagellack und wartete. Den ganzen Tag lang wartete sie auf ihn. Wagte nicht, den Fernseher zu laut zu stellen, aus Sorge, das Klingeln ihres Handys oder das leise dreifache Klopfen an der Tür zu überhören. Er weiß, dass ich da bin. Er weiß, dass ich auf ihn warte. Er lässt mich warten.
    Abends öffnete sie eine Dose Ravioli. Sie hatte keinen Hunger. Sie trank ein Glas, zwei Gläser, um sich Mut zu machen. Glaubte, draußen im Hof Musik zu hören. Öffnete das Fenster und hörte die Klänge einer Oper. Dann seine Stimme … Er telefonierte mit einem Geschäftspartner. »Ich sehe gerade die Unterlagen zur Fusion durch …« Sie erschauerte, schloss die Augen. Er wird kommen. Er wird kommen.
    Sie saß die ganze Nacht am Fenster und wartete auf ihn. Die Oper verklang, das Licht erlosch.
    Er war nicht gekommen.
    Sie weinte, auf ihrem Stuhl sitzend, in ihrem schönen elfenbeinfarbenen Kleid. Ich darf es nicht schmutzig machen. Mein schönes Brautkleid.
    Sie leerte die Flasche Rotwein, nahm zwei Stilnox.
    Ging ins Bett.
    Indem er die Musik so laut aufdrehte, hatte er ihr zu verstehen gegeben, dass er wieder da war.
    Indem sie nicht nach unten gegangen war, um an seiner Tür zu klingeln, hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie sich fügte.
    Am ersten Abend schlief Joséphine auf einem der Sofas im Wohnzimmer. Das Haus war völlig verwüstet, und die Schlafzimmer hatten kein Dach mehr. Wenn man sich auf die Betten legte, sah man den finsteren, wolkenverhangenen Himmel, Blitze, die an Mündungsfeuer erinnerten, Regenstriemen. Mitten in der Nacht wurde sie durch einen heftigen Donnerschlag geweckt, und Du Guesclin heulte zum Gotterbarmen.
    Sie zählte einundzwanzig, zweiundzwanzig, um herauszufinden, wie weit das Gewitter entfernt war, und kam nicht bis dreiundzwanzig, als auch schon der Blitz den Park in ein gleißendes Licht tauchte. Ein fürchterliches Krachen ertönte, das Geräusch eines umstürzenden Baumes. Sie rannte

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