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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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der Liebe.
    Zweimal am Tag rief Joséphine Monsieur Fauvet an und redete mit Madame Fauvet. Sie ließ nicht locker, erklärte ihr, dass bei jeder neuen Sturmbö weitere Schieferplatten vom Dach flögen, dass es gefährlich sei, dass das ganze Haus durchnässt werde, dass der Akku ihres Handys bald leer sein werde und sie sie dann nicht mehr erreichen könne. Madame Fauvet antwortete: »Ja, ja, mein Mann kommt vorbei …«, und legte auf.
    Es regnete ununterbrochen. Nicht einmal Du Guesclin wollte mehr nach draußen. Er kletterte auf die verwüstete Terrasse, schnupperte in den Wind, hob das Bein an einem der zerschmetterten Terrakottakübel und kam seufzend wieder herunter. Bei diesem Wetter jagte man wirklich keinen Hund vor die Tür.
    Joséphine schlief im Wohnzimmer. Duschte kalt, plünderte die Gefriertruhe. Aß das ganze Eis auf, Ben & Jerry’s, Häagen-Dazs, Choc Choc Chip, Pralines & Cream. Es war ihr egal, dass sie zunahm. Er würde nicht kommen. Sie betrachtete ihr Gesicht im Löffel, blies die Wangen auf, fand, dass sie aussah wie eine Schale voll Sahne, bekam einen Schokoladenmund. Du Guesclin leckte die Deckel der Eisbecher ab. Er schaute sie voller Hingabe an, wackelte mit dem Hinterteil und wartete darauf, dass sie ihm einen neuen Deckel hinlegte. Hast du eine Freundin, Du Guesclin? Redest du auch mit ihr, oder reicht es dir, sie zu bespringen? Ach, Gefühle sind so anstrengend, weißt du! Es ist einfacher, zu essen und sich mit Fett und Zucker vollzustopfen. Du Guesclin hatte nie solche Probleme, er hat sich nie verliebt, er nahm die Mädchen und ließ unzählige kleine Bastarde zurück, die, kaum dass sie den Windeln entwachsen waren, in den Krieg zogen, um an der Seite ihres Vaters zu kämpfen. Das war das Einzige, was er konnte. Strategien entwickeln und Schlachten gewinnen. Mit fünfzig zerlumpten Männern vernichtete er eine fünfhundert Mann starke englische Armee mit Rüstungen und Katapulten! Indem er sich als arme Alte mit einem Bündel Reisig auf dem Rücken verkleidete. Kannst du dir das vorstellen? Die kleine Alte schlich sich in die Mauern der Stadt, die es einzunehmen galt, und sobald er drin war, zückte Du Guesclin sein Schwert und durchbohrte reihenweise Engländer. In Friedenszeiten langweilte er sich. Er hatte eine sehr gelehrte, ältere Frau geheiratet, eine Expertin auf dem Gebiet der Astrologie. Am Vorabend einer jeden Schlacht sagte sie ihm den Ausgang voraus, und sie irrte sich nie! Man hat den Männern ihren Krieg weggenommen, und jetzt wissen sie nicht mehr, wer sie sind. In Friedenszeiten drehte sich Du Guesclin im Kreis und machte nur Dummheiten. Das einzige Problem beim Eis, mein guter Du Guesclin, ist, dass du dich irgendwann daran überfrisst, du möchtest schlafen, aber du fühlst dich so schwer, dass du nicht mehr einschlafen kannst, du wälzt dich hin und her, und schon ist der Schlaf wieder weg.
    Ihr Handy piepte. Eine SMS . Sie schaute nach. Luca!
    Sie wissen Bescheid, Joséphine, Sie wissen Bescheid, nicht wahr?
    Sie antwortete nicht. Ich weiß Bescheid, aber es ist mir egal. Ich sitze hier mit Du Guesclin sicher und trocken unter einem halb abgedeckten Dach, in eine schöne rosa Mohairdecke gewickelt, die meine Nase kitzelt.
    »Weißt du, das einzige Problem heutzutage ist, dass man sich mit seinem Hund unterhält … Das ist nicht normal. Ich mag dich wirklich sehr, aber du bist doch kein Ersatz für Philippe …«
    Du Guesclin seufzte, als täte ihm das furchtbar leid.
    Das Handy piepte. Wieder eine SMS von Luca.
    Wieso antworten Sie nicht?
    Sie würde nicht antworten. Ihr Akku war fast leer, und sie wollte ihre schwächelnde Batterie nicht an Luca Giambelli verschwenden. Oder besser gesagt an Vittorio.
    Auf einem Regal hatte sie eine alte Ausgabe von Balzacs Tante Lisbeth gefunden, sie aufgeschlagen und daran geschnuppert. Das Buch roch nach Sakristei, frommen Gewändern und verschimmeltem Papier. Sie würde Tante Lisbeth im Kerzenschein lesen. Laut vorlesen. Sie wickelte sich in die Decke, zog die schöne rote Kerze heran und begann:
    »›Um die Mitte des Monats Juli im Jahre 1838 fuhr eine jener leichten Droschken, die Milords genannt wurden und neuerdings auf den Pariser Plätzen aufgekommen waren, durch die Rue de l’Université. Darin saß ein wohlbeleibter Mann von mittlerem Wuchs in der Uniform eines Hauptmanns der Nationalgarde. Unter den Parisern, denen man so viel Geist nachsagt, sind manche Männer überzeugt, dass sie in Uniform unendlich viel

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