Der Lauf-Gourmet
Laufexperte. Und doch haben wir es alle getan. Seit etwa zwei Jahren dürfte der Pastaumsatz bei Tino dramatisch gesunken sein. Mona und alle anderen Frauen dieser Welt sind der Iss-dich-fit-Sekte beigetreten. Und ihre Weicheier von Kerlen gleich mit. Essen dient nicht mehr dem Vergnügen, sondern muss eine tiefere Bedeutung haben.
Weißbrot und seine vielen Weißmehlverwandten sind allesamt verbannt. Olivenöl auch, weil Raps viel besser ist. Stundenlang muss ich vor Fenchel meditieren. Immerhin ist Kresse drauf und ein Spritzer Zitrone, weil der angeblich Fett verbrennt. Hätten wir Mäuse auf unserem Tisch, würden sie sich heulend zu Boden stürzen. »Ich brauche Treibstoff für mein Tempotraining«, winsele ich meine Gattin an. »Da ist ganz frischer Tofu im Kühlschrank«, sagt Mona, »und Linsenmus mit Ingwer.« Super. Immerhin keine Rhabarber-Thunfisch-Paste an Vollwert-Mangold. Wir sind nicht dünner geworden, seit meine Frau Ernährungsbücher liest. Aber unsere Laune hat sich verschlechtert. Und der Geruch unserer Magenwinde. Der Eierbecher voll Buttermilch, den Mona mir zum Frühstück gewährt, hält auch nicht den ganzen Tag vor. Von Brokkolitorte (ohne Teig) wird mir schlecht. Kein Wunder, dass ich mir bei jedem Drive-in einen Doppelstockburger mit Fritten besorge.
Früher habe ich versucht, den Zigarettengeruch aus meinen Klamotten zu kriegen, heute bekämpfe ich den Fastfooddunst. Zuckerfreie Salbeipastillen funktionieren ganz gut, wenn man sie kurz anlutscht und dann unter den Hemdkragen klebt. Verräterisch sind allenfalls die Fleischfasern in den Backenzähnen und der Ketchupfleck auf dem Revers. »Ist Linsenpaste mit Salbei«, erkläre ich Mona, »total lecker, du.«
Seit Essen eine Wissenschaft ist, ist die gute alte Fressromantik bei Tino zum Teufel. Die Frau, die mal meine genussfreudige
Gattin war, kommentiert die Tageskarte gnadenlos durch: Pizza? Geht nicht. Kohlenhydrate. Und Fett. Nudeln? Dasselbe. Viktoriabarsch? Verboten, weil aus Afrika, zu viel CO 2 zwischen den Schuppen. Kalbsleber Veniziana? Giftbombe. Schweinefilet in Zitronensoße? Schwein? Willst du dich umbringen? Ja, will ich, am liebsten mit CO 2 -haltigem Kohlenhydratschwein.
Während die Kinder an ihrer Pizza herumsäbeln, werde ich zu Salat mit Lammstreifen verdonnert. Nette Vorspeise. Für Hasen. Mona behauptet, sie habe nie Hunger, weil sie viel Wasser trinke. Zum Glück verschwindet sie deswegen dauernd zur Toilette. »Papa hat Pizza geklaut«, petzt mein Sohn Karl, als meine Frau zurückkehrt. Tolle Brut. Kaum in der Pubertät, schon loyal wie Andrea Nahles. Mona gießt mir zur Strafe noch mehr Wasser in den Weißwein.
Wie soll ich Spitzenleistungen erlaufen, wenn mein Kopf weiß, dass meine Speicher ratzekahl leer sind? Gefühlte Schwäche ist noch schlimmer als reale. Nach einer Fressorgie bei Tino war ich früher mental bestens aufgestellt. Die Speicher fühlten sich proppevoll an, und das Gewissen mahnte: Lauf um dein Leben, einfach so, zum Spaß. Heute habe ich Angst vor einem Linseninfarkt mit Tofudurchbruch. Mona ist schuld an einem Sommer ohne Leistungsexplosion.
Fakten, Fragen, Tipps und Mythen rund ums perfekte Läufer-Dinner
Geburtstagsbrunch, Firmenfeier, Weihnachtsessen - wie vermeidet man solche kulinarischen Versuchungen? Gar nicht.
Stimmt es, dass man auch als Läufer mal richtig schlemmen sollte? Ja. Genussvoll speisen ist gut für die Läuferseele. Das können auch gern mal ein paar Gänge sein. Man sollte aber darauf achten, dass
das Mahl nicht in sinnloser Völlerei endet. Und wenn schon, sollte man auch gleich einen ordentlichen Schwips dazupacken.
Gibt es dennoch Regeln, die man beachten kann?
Nie ausgehungert an den Tisch setzen. Wer hungrig ist, hat weniger Kontrolle über das, was er isst. Vor einem üppigen Menü eine klare Suppe essen, einen Salat oder etwas Brot - wirkt appetitzügelnd. Lieber mehrere kleine Gänge als wenige große essen - so merkt man schneller, dass man satt ist.
Hilft es, während des Menüs große Mengen Wasser zu trinken?
Zu viel Wasser füllt kurzfristig den Magen; man nimmt unter Umständen kleinere Portionen zu sich. Wenn man größere Mengen trinkt, verändert das aber den Mageninhalt und verlangsamt die ersten Schritte der Verdauung, weil die Magensäure verdünnt wird. Prinzipiell gilt: Kleine Mengen Wasser zum Essen schaden nicht.
Stimmt es, dass ich gesünder bin, wenn ich mich gesund ernähre?
Selbst die gesündeste
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