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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
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Also nicht: Ich habe mich
bemüht
, sondern:
Ich
habe mich bemüht … Eine Betonung, welche die Frage einschlösse: Und was habt
ihr
getan?
    Es sei aber gut möglich, antworteten andere, dass eine solche, wenn auch dezente Kritik am hawaiischen Volk eine antimonarchistische Erfindung sei. Ebenso wie das Gerücht, der Diener Kalākauas, ein der königlichen Familie sehr verbundener Mann, habe, um Schaden von dieser abzuwenden, eigenmächtig eine zweite Matrize gelöscht, die mit dem folgenden Satz begonnen haben soll:
Übermitteln Sie Frau Isabelle Wolkenfuß in Deutschland mein tiefstes Bedauern.
     
    Isabelle hatte weder von derlei Gerüchten erfahren, geschweige denn irgendwelche Zahlungen aus Hawaii erhalten. Auch hatte sie keine Notiz genommen von einer Pressemeldung, die deutschen Zeitungslesern vom Tod Kalākauas I. Mitteilung gemacht hatte. Daher geriet sie erst viel später, einige Zeit nach ihrem Bad in der Spree nämlich, noch einmal in heftige Gefühle des Königs wegen.
    Sie saß am Tisch eines Ostseehotels und befühlte ihr Frühstücksei. Noch war es fast heiß. Sie nahm das bereitliegende Morgenblatt vom Platz ihres Begleiters, der noch mit einem dringenden Bedürfnis beschäftigt war, und begann gelangweilt darin zu blättern. Da vermeldete eine Schlagzeile, Hawaii sei seit wenigen Tagen von amerikanischen Truppen besetzt. Mit Sorge, aber auch einer gewissen Genugtuung dachte sie an Kalākaua:
    Der Ärmste. –
    Nun sieht er mal, wie das ist …
    Was, Isabelle?
    Erobert, verraten, verlassen zu werden! –
    Lieber Gott, die werden ihm doch nichts tun …
    Dieses Gefühlsgemisch wurde abgelöst von Erleichterung und Trauer:
    Er muss das nicht mehr erleben. –
    O Gott, er ist tot?
    Denn im nebenstehenden Kommentar musste sie lesen, die Annexion sei der endgültige Verlust der hawaiischen Unabhängigkeit. Bereits im Jahr 1893 sei die Monarchie von amerikafreundlichen Republikanern hinweggeputscht worden.
    Ein saxophonspielender amerikanischer Präsident übrigens wird sich hundert Jahre später für den Sturz der Königin entschuldigen.
    Königin?
    Ja. Lilioukalani, schrieb der Kommentator, sei die Schwester jenes 1891 verstorbenen Kalākaua I., der zehnJahre zuvor Deutschland besucht habe, wo er unter anderem Gast des seligen Alfred Krupp gewesen sei und ihm den Orden …
    Nein, dachte Isabelle, nicht noch einmal.
    Sie faltete die Zeitung zusammen und legte sie sorgsam glattgestrichen zurück neben das Frühstücksgedeck ihres Begleiters.
    Einen Augenblick lang sah sie noch versonnen über den herbstlich leeren Strand hinaus auf ein nebliges Meer, dann nahm sie entschlossen ihr Messer und köpfte das Ei.

XX
    Der Kombüsenkönig William Christopher Palaoa hatte seinem Enkel Keola zwar keine aristokratischen Gene vererbt, dafür aber eine Gabe, die gekrönten wie auch ungekrönten Staatsoberhäuptern besser ansteht als das blaueste Blut: die Kunst, die Welt ringsum genau zu beobachten, die eigene Mannschaft zu kennen und vor allem sich selbst, zu begreifen, wie eines mit dem anderen zusammenhängt, und daraus den richtigen Kurs abzuleiten – kurz: ein guter Navigator zu sein.
    Denn dies, die Kunst der Navigation, war William Christopher Palaoas eigentliche Berufung gewesen. Navigieren auf See, wie es die alten polynesischen Seefahrer verstanden, anhand der Wege, die die Meereswellen nehmen und die Wolken, an ihrem Farbenspiel beim Aufgang der Sonne, natürlich an deren Wanderung bei Tag wie auch am Gang des Mondes und der Planeten sowie an den Fixpunkten, welche die Sterne setzen am nächtlichen Himmel.
    Den richtigen Kurs finden: ohne Kompass, ohne Sextanten. Damit aber waren, seit die Weißen den Pazifik befuhren, die Schiffe ausgerüstet, natürlich auch die
Kamilou
. Deshalb, als Navigator kaum noch zu gebrauchen, hatte Keolas Großvater als Koch auf der
Kamilou
angeheuert.
    Es kamen aber die Zeit und ein Professor, die einen Navigator der alten Art wieder brauchen sollten.
     
    Professor Edvard Malinowski war auf der Suche nach dem Urkontinent Rutas. Einem Kontinent, der, gleich Atlantis, in den Fluten eines Ozeans versunken war, Rutas, die Urheimatdes Menschen. Als Neffe des berühmten Ethnologen Bronislaw Malinowski, der jahrelang unter den Eingeborenen Neuguineas gelebt hatte, war ihm wissenschaftlicher Ehrgeiz in die Wiege gelegt worden. Ein andauernder Streit mit seinem Kollegen und einstigen Assistenten Zumpfhagen über die Kultur Polynesiens wuchs ins Politische, als die Nationalsozialisten

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